Dass seit den 70er-Jahren immer häufiger Brillen herausstachen, die das Wort Design wirklich verdienten, ist vor allem auch den Dänen zu verdanken. Neben Paul-Jörn Lindberg war es der Optometrist und Design-Visionär Jørgen Vesterby (1947–2017), der die Sehhilfe 1973 aus der Prothesen-Ecke herausholte und dänischem Brillendesign mit der Marke ProDesign zu Weltruhm verhalf.
ProDesign: Vesterbys Coup
ProDesign, von Vesterby 1973 mit erst 27 in Aarhus gegründet, revolutionierte den Markt: subtil geformte und doch fesselnd aufregende Fassungen, die sich Elton John und Kevin Costner auf die Nase setzten. Richtungsweisend war Vesterbys Coup, die talentierte Gail Spence für sein Haus zu verpflichten.
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Die aus Amerika nach Dänemark eingewanderte Schmuckdesignerin entwarf kühn gebogene Silberohrringe und Broschen aus hochwertigen Metallen und übertrug ihr Material-Faible auf Brillen. Die 1987 von ihr entworfenen Aluminium-Fassungen waren stilistisch gewagt, erlangten Kultstatus. Avantgardistisch war der selbstbewusste Mix aus farbenfroher amerikanischer Extravaganz und dänischer Hingabe an klare Form und Funktion. Noch heute reißen sich auf Ebay Fans um die Originalfassungen von damals.
ProDesign, von Vesterby bereits 1998 verkauft und seit der Gründung der Design Eyewear Group 2012 auch deren Herzstück, feiert im nächsten Jahr 50-jähriges Bestehen. Anlass für das dänische Unternehmen, dessen Portfolio mittlerweile sieben Marken umfasst, vier der kultigsten Fassungen von damals neu aufzulegen. Mit dieser Verbeugung vor dem Gestern soll die Zukunft gefeiert werden, so Lars Flyvholm, seit 2015 CEO des Unternehmens.
Ikonische Zylinder-Scharniere
Bereits Ende 2021 wurde das bekannte Gail-Spence-Design der No. 1 mit einer zeitgemäßen Interpretation des ikonischen Rahmens wieder auf den Markt gebracht. In enger Zusammenarbeit mit der Designerin entwickelte ein Team zwei neue Formen mit innovativen Bügelstrukturen, die den Fassungen eine natürliche Biegung verleihen.
Die Gail-Spence-Fassung gibt es in drei Ausführungen, zwei davon als Sonnenbrille. Die leuchtenden Farben werden durch neu gestaltete, graue Bügel aus dünnem Titan ergänzt. „Wir sind dem ursprünglichen Design mit seinen schlichten, in den legendären Zylinder-Scharnieren zusammengeführten Strukturen treu geblieben und vollenden so den einzigartigen Look zwischen künstlerischem Raffinement und Minimalismus“, so Cathrine Haugerud, die den Relaunch betreut (siehe Interview).
Neues auch von Alium
Zur Design Eyewear Group gehören neben ProDesign die Marken Face à Face, Inface, Kilsgaard, Woow, Nifties und Alium, der maskulinen, technisch raffinierten Linie im Portfolio. 3D-Druck, Scharniere in besonderer Mechanik, schlichte Linien und auffällige Farben prägen auch die Fassungen der neuen Herbst-/Winterkollektion.
Die Club-Serie zelebriert sportliches Design in starken Konturen, subtilen Pilotformen und zeitgemäßen Farben: Petrolfarben unter Bügeln aus Acetat-Horn, oder ein mattes Englischgrün, das unter Schildpattbügeln an das Interieur schicker Clubs erinnert. Die Surf-Serie zeigt sich ebenfalls farbenfroh elegant: satiniertes Yves-Klein-Blau, ein flammendes mattes Rot oder ein metallisiertes Blaugrau.
In 40 Ländern präsent
Mit seinen sieben Marken ist das dänische Unternehmen in mehr als 40 Ländern vertreten. Die größten Märkte sind die USA, Frankreich, Kanada, Deutschland und Großbritannien. Im Heimatland erwirtschaftet man weniger als 5 % des Umsatzes.
„ProDesign mit seiner 50-jährigen und Face à Face mit seiner 25-jährigen Geschichte sind die beiden stärksten Marken in der DACH-Region“, erzählt Lars Flyvholm. Woow – eine wagemutige, junge Linie mit zweifarbigen Bügeln – und Nifties – Fassungen für kleine Gesichter – hätten aber in den letzten Jahren deutlich zugelegt. „Mehr als jeder Dritte verkauft zwei oder mehr Marken aus unserem Portfolio, der Anteil der „Mehrmarken-Kunden“ nimmt stetig zu.“
Bei der Frage nach seiner persönlichen Lieblingsbrille will sich Flyvholm nicht entscheiden: „Wenn ich mir anschaue, was ich in den letzten Monaten am liebsten getragen habe, dann waren es eine Kilsgaard-Fassung, eine Danish Heritage von ProDesign und ein Alium-Modell.“
/// JB
„Funktionalität bereichert die Designsprache“
Interview mit der Dänin Cathrine Colding Haugerud, Design Lead der Design Eyewear Group seit 2020.
eyebizz: Cathrine Haugerud, was fasziniert Sie am meisten an den Fassungen von Gail Spence?
Die unverkennbare Design-DNA. Die charakteristischen zylindrischen Scharniere in Kombination mit komplementären Farben – so entstehen Modelle, die postmoderne Statements sind.
Wie schaffen Sie den Spagat zwischen der Bewahrung des Originaldesigns und einer mutigen Übersetzung in die Gegenwart?
Für mich ist die Möglichkeit, mit Designschätzen aus der Vergangenheit zu arbeiten, ein Geschenk. Es ist eine Feier großen Designs! Wenn wir das ursprüngliche Design mit großem Respekt behandeln und gleichzeitig neue Designstriche hinzufügen, können außergewöhnliche Ergebnisse entstehen.
Wie würden Sie die DNA von ProDesign beschreiben?
Die DNA von ProDesign ist Vielfalt – sie umfasst eine große Bandbreite an Persönlichkeiten und Bedürfnissen. Es ist eine sehr zuverlässige Marke – sowohl in Bezug auf das Erbe als auch auf Qualität, Passform und Anpassungsfähigkeit.
Ihr Brillendesign findet viel Anerkennung, etwa die coole, preisgekrönte faltbare Sonnenbrille von 2017. Wie gelingt Ihnen die Balance von Schönheit und Funktionalität?
Gute Frage! Die Balance von Schönheit und Funktionalität ist im Grund die Essenz jeden Designs. Wenn es um Brillen geht, ist die Ästhetik von größter Bedeutung, da Menschen ihre Brille mitten im Gesicht tragen. Da sie in der Regel täglich getragen wird, dürfen Designer beim Komfort keine Kompromisse eingehen. Ich persönlich betrachte Funktionalität oft als Bereicherung der Designsprache. So bleibt es subtil, aber raffiniert.
Design Eyewear Group
Gründung: 2012
Firmensitz: Aarhus/Dänemark (Head office) und Paris
CEO: Lars Flyvholm
Portfolio: ProDesign Denmark, Face à Face, Woow, Nifties, Kilsgaard, Inface, Alium