Anzeige
Anzeige
Portrait von Augenoptiker Lars Düngel

Schönhelden in Berlin: Ästhetik und Erfolg

Lars Düngel hat ein Gespür für Timing und erreicht womöglich genau deshalb in der Regel das, was er sich vornimmt. 2015 eröffnete der gebürtige Chemnitzer in Berlin-Friedrichhain sein Augenoptikgeschäft „Schönhelden“. Erfahren Sie hier, wie es weiterging und wie es zum Namen Schönhelden kam.

Schönhelden Berlin: Lars Düngel
Schönhelden Berlin: Lars Düngel

Als Dipl.-Augenoptiker/ Optometrist in Berlin fühlte Lars Düngel sich in dem traditionellen Geschäft, wo er jahrelang erfolgreich arbeitete, durchaus „gefordert und gefördert“, doch irgendwann war eben die Luft raus. Den Vater zweier Kinder drängte es zu einer Entscheidung, über die er lange grübelte und damals sagte: „Bevor ich 40 werde, muss ich sie treffen.“

Anzeige

Und so kam es. Fast. Im Oktober 2015, fünf Tage nach seinem 40. Geburtstag, eröffnete der gebürtige Chemnitzer (bei seiner Geburt noch „Karl-Marx-Stadt“) in Berlin-Friedrichhain das Augenoptikgeschäft „Schönhelden“. Manche in seinem Umfeld hielten das damals für ein Kamikaze-Projekt. Das Geschäft war ein Neubau und umfasste sagenhafte 160 Quadratmeter, umgeben von wenig Infrastruktur, stattdessen Brachland und ganz in der Nähe ein Schlachthof.

Doch da er im Kiez wohnt, hatte Lars Düngel ein Gefühl für die Menschen dort. Als er den Businessplan schrieb, halfen die Handwerkskammer, die Gründungswerkstatt Berlin-Brandenburg und ein Service der Deutschen Post, mit dem sich das Umfeld nach maßgeblichen Kriterien analysieren ließ: Wer wohnt hier? Wie ist die soziale Zusammensetzung, wie die Kaufkraft? Wie viele Optiker gibt es, was bieten sie an?

Bei der finalen Fassung des Businessplans unterstützte ihn zudem Michael R. Grunenberg, Experte im Guerillamarketing und viele Jahre Dozent an der Rodenstock Akademie. Lars Düngel hatte ihn Monate vorher auf dem Flughafen in München kennengelernt, wo beide auf der opti waren. Welch schöner Zufall!

Großvaters Werkbank und Verkaufstheke

Schon Düngels Großvater war Augenoptiker. Als er aus dem Krieg kam, machte er seine Lehre zu Ende, dann in Jena den Meister. Seine Unabhängigkeit als selbstständiger Augenoptiker in Premnitz konnte er sich bewahren, während viele augenoptische Betriebe in der DDR genossenschaftlich zusammengefasst wurden. Der Enkel saß noch bei ihm im Geschäft, erlebte, wie Augenoptiker in der Mangelwirtschaft monatelang auf Brillengläser warten mussten.

Schönhelden Berlin
Schönhelden Berlin: Schon vor über 70 Jahren wurden an diesem Tisch Brillen verkauft!

Vom Großvater stammt auch die historische Optiker-Werkbank mit Bohrmaschine und die massive Verkaufstheke aus Eiche, die im Geschäft von „Schönhelden“ geschickt integriert sind. „Die alten Möbel sprechen mich emotional an, unserer Kunden auch. Schon vor über 70 Jahren wurden an diesem Tisch Brillen verkauft“, schwärmt der Inhaber.

Mit der Einrichtung wird auch ein Werteverständnis fürs Handwerk transportiert. Im Prüfraum hängt noch die alte Meisterurkunde des Großvaters. Der Ladenbau, 2015 von Heikaus entworfen, ist insgesamt minimalistisch und hat eine warme, wohnliche Atmosphäre.

Lounge-Sesseln im Curry-Ton

Naturbelassene Grobspanplatten werden mit einem Fußboden in Beton-Optik kombiniert, an den Wänden sind Gitterelemente in Edelstahl. Brillen stehen hier erst auf den zweiten Blick im Mittelpunkt. Der coole „Weiß-Style“ und die rustikale Materialität werden mit modernen Drehstühlen und Lounge-Sesseln in warmem Curry-Ton aufgelockert. Über dem Tresen hängt ein echter Eyecatcher: ein leuchtend-farbiges Berlinbild von einer Baustelle am Prenzlauer Berg, ästhetisch raffiniert verfremdet. Kreiert hat es ein Kunde.

An die Zeit der Bauphase erinnert sich Lars Düngel mit Horror. „Es war ein absoluter Rohbau, es gab viele Verzögerungen. Ich bin auf dem Zahnfleisch gegangen, den parallel arbeitete ich noch in meinem alten Geschäft.“

Die unternehmerische Selbstständigkeit war kein vollständiger Bruch mit den Arbeitsverhältnissen davor. Seine Kollegin Jessica folgte ihm zu „Schönhelden“. Lars Düngel erinnert sich: „Als wir die allerersten Gleitsichtgläser verkauft haben, fielen wir uns, als der Kunde um die Ecke war, wie Kinder um den Arm.“ Die Freude war riesig. Doch es gab in den ersten zwei Jahren auch Zeiten großen Zweifels, so der Inhaber. Es gab schließlich kein Auffangnetz.

Schönhelden Berlin: Jessica Lorenz
Schönhelden Berlin: Augenoptikerin und Kontaktlinsen-Spezialistin Jessica Lorenz vor einem Eyecatcher bei Schönhelden

Die ersten Marketingmaßnahmen waren bescheiden: Freunde und Nachbarn ansprechen, Werbeaufkleber an Laternen befestigen, Flyer im Frauen-Fitnessstudio nebenan auslegen. „Wir hatten keine Ahnung von Marketing, kamen aus traditionellen Geschäften. Da wurden höchstens Flyer gemacht und alle zwei Jahre die Kunden angeschrieben.“

Corona als Gamechanger

Nach gut zwei Jahren war „Schönhelden“ etabliert, doch dann kam Corona. „Ein Gamechanger für uns“, so Lars Düngel. „Wir hatten offen, keiner kam, wir mussten etwas unternehmen. Also entschieden wir uns, die Website neu zu machen und einen Online-Shop aufzubauen.“

Unterstützung fand der Augenoptikermeister im Kiez. Ein Kunde, der Kameramann ist und während Corona nichts zu tun hatte, fotografierte die Fassungen. Toby, ein junger Computerfreak aus der Nachbarschaft, der gerade einen Online-Shop gebaut hatte, half bei der technischen Umsetzung.

In kürzester Zeit hatte der Firmenchef so ein effizientes Team zusammen. Nächtelang saßen sie zusammen, bastelten, tüftelten und probierten aus, nach dem Prinzip Trial-and-Error.

Besonders Toby erweist sich bis heute als wichtige Unterstützung beim Marketing. Dank ihm schaltete „Schönhelden“ Google Ads. „Hier kann man große Fehler machen. Toby ist etliche Jahre jünger als ich, kennt sich aus.“ Tobys Prognose, dass nach drei Monaten Google-Ads-Marketing der Umsatz deutlich steigt, bewahrheitete sich.

Gutes Gefühl mit neuem Preissystem

Während der Pandemie wurden zudem die Preise für Produkte und Dienstleistungen getrennt und neu festgelegt. Seitdem kostet bei „Schönhelden“ die Augenvermessung 49 Euro, eine Kontaktlinsenanpassung 120 Euro. Das werde von den Kunden auch angenommen, nicht zuletzt, weil die Preise bei der Online-Terminvereinbarung schon aufgeführt werden.

Schönhelden Berlin
Schönhelden Berlin: Ladenbau von Heikaus

„Für uns ist es ein gutes Gefühl, dass wir für unsere Arbeit auch Geld bekommen“, so Lars Düngel, der von einem Kunden erzählt, der nach der Linsenanpassung zum Filialisten abwanderte, doch prompt zurückgekehrt ist, weil er sich dort schlecht beraten fühlte. „Bei den großen Ketten finden kaum mehr Kontaktlinsenanpassungen statt, davon profitieren wir.“

In den acht Jahren seit Geschäftseröffnung hat sich der Kiez in Friedrichshain stark verändert. Die Brachen sind zu, viele Start-ups hergezogen, ein großes Einkaufscenter wurde errichtet, auf den Klingelschildern findet man griechische, indische, russische, spanische Namen. Dass hier mehr und mehr gut ausgebildete, finanzstarke Menschen wohnen, kommt dem Geschäftskonzept von „Schönhelden“ entgegen.

Schwerpunkt Myopie-Management

Optimistisch stimmt den Inhaber auch, dass es in der Augenoptik immer wieder neue Themen gibt, die sich aufgreifen lassen. Für ihn war es zuletzt das Myopie-Management. „Ein gutes Thema für unseren Kiez, wo es viele Kinder gibt; für uns ein Schwerpunkt, den wir guten Gewissens setzen können.“

Er besprach das mit seinen drei Mitarbeitern, gemeinsam arbeitete sich das Team ins neue Thema ein, besuchte Seminare, bildete sich weiter. Fürs Myopie-Management baute man eine eigene Landing-Page und startete letztes Jahr eine erfolgreiche Kampagne. Mit Zielgruppen-Targeting erreichten sie die richtigen Leute. Hilfreich sei zudem der fachliche Austausch mit neyece, einem Netzwerk für Myopie-Spezialisten.

Schönhelden Berlin: im Messraum
Schönhelden Berlin: im Messraum

Lars Düngel ist ein guter Netzwerker. Er arbeitet mit gleich mehreren Augenärzten gut zusammen und wird von ihnen weiterempfohlen. Er ist im Friedrichshain-Kreuzberger Unternehmerverein und engagiert sich bei Jobentdecker-Projekt, bei dem jungen Leuten handwerkliche Berufe schmackhaft gemacht werden sollen. So hatte er schon mehrfach Schüler in seinem Betrieb, die hier erste Erfahrungen mit der Augenoptik machen konnten.

Warum ist er selbst Augenoptiker geworden? „Ich wollte etwas Handwerkliches machen mit direktem Kontakt zum Kunden“, sagt er, „Das fesselt mich heute noch. Jeden Tag bekomme ich direktes Feedback von Kunden. Wo gibt’s das sonst?“

Krisenfeste Branche

Die Kunden von Schönhelden wollen keine Brille von der Stange, sondern Independent Labels. Sie wertschätzen das Handwerk, sind fashionaffin. Viele sind zwischen 40 und 60, doch die Kunden werden jünger, so der Geschäftsführer, der spürbar guter Dinge ist, was die Zukunft seiner Branche betrifft: „Unabhängig von allen Krisen gibt es immer Leute, die Interesse an deinem Know-how und deinem Produkt haben, du musst deine Zielgruppe kennen, die auch bereit ist, dafür zu bezahlen.“

Bleibt die Frage, wie es zum Kunstwort „Schönhelden“ gekommen ist. Nachdem das Brainstorming mit Kindern, Familien, Freunden und Kollegen keine Früchte trug, vertraute Lars Düngel bei der Namenssuche Algorithmen. Als er in das entsprechende Programm „Ästhetik“ und „Erfolg“ eingab, spuckte die KI „Schönhelden“ aus.

Keine schlechte Wahl, wie der 47-Jährige mittlerweile weiß. Vor einiger Zeit beobachtete er zwei ältere Männer, die vor seinem Geschäft standen und den Kopf schüttelten. Und zwar wegen des Namens, wie sich im Gespräch mit den beiden herausstellte. Lars Düngel irritierte das nicht. Im Gegenteil. Er sagte zu den beiden: „So wie euch der Name beschäftigt, weiß ich in jedem Fall, dass Ihr mich morgen noch nicht vergessen habt!“

/// Jueb

Bilder: Schönhelden, Jueb

 

Schönhelden
Inhaber Lars Düngel
2015 eröffnet, vier Mitarbeiter
Thaerstraße 28, 10249 Berlin
E-Mail: info@schoenhelden.de
www.schoenhelden.de

 

Artikel aus der eyebizz 4.2023 (Juni/Juli)

 


Kennen Sie . . .

. . . auch eine Persönlichkeit, deren außergewöhnliche unternehmerische Leistungen so interessant sind, dass sie in eyebizz vorgestellt werden sollten? Oder sind Sie selbst eine? Schreiben Sie uns unter E-Mail: redaktion@eyebizz.de.


leer

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.