Denkt man ans Brillen-Handwerk „Made in France“, geht der Blick meist gen Südosten zur historischen Wiege im Haute-Jura. In der entgegengesetzten Ecke in der Normandie stiegen Jean-François Lufeaux und Thierry Bonhomme vor zehn Jahren aus der IT-Branche aus, kauften eine Brillen-Manufaktur und entwickelten Struktur Eyewear – markant und farbenfroh.
Die Normandie im Norden Frankreichs ist bekannt für ihre wilde Küste mit Strand und steilen Felsen, aber auch für drei große Cs – Calvados, Camembert und Cidre. Auf halbem Weg zwischen Paris und dem bekannten Küstenbad Deauville hat das Brillenlabel Struktur seinen Sitz in der 3.000-Seelen-Gemeinde Guichainville. Die Manufaktur Solf, in der die Modelle gefertigt werden, wurde 1966 von Jean Lempereur gegründet. Heute leiten Thierry Bonhomme (56) als Präsident und Designchef der Brillen und Jean-François Lufeaux (56) als CEO die Manufaktur.
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Von der IT zur Brillen-Manufaktur
Beide lernten sich 1995 in einer Softwarefirma kennen. Ihr erstes gemeinsames Unternehmen galt noch der IT-Branche. „Als wir die Firma zehn Jahre später verkauften, fingen wir bewusst in einer kreativeren und modischeren Welt an – die der Brillen.“ So übernahmen sie 2014 Solf und kauften vier Jahre später Struktur Eyewear. Warum ausgerechnet Brillen? „Als Brillenträger ist die optische Mode ein sehr reiches Feld. Eine Brille zu finden, die Ästhetik und Komfort vereint, ist nicht immer einfach. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Brillen zu entwickeln, in denen sich der Träger wiederfinden kann.“
Die Kollektion ist in drei Linien unterteilt: „Struktur“ umfasst Modelle aus mattem und glänzendem Acetat. Modellnamen wie „The Boss“ und „The Artist“ unterstreichen das auffällige Design. Das „The“ ist wichtig, wie Thierry Bonhomme erklärt: „Unsere Brillen zu tragen bedeutet, eine eigene Identität anzunehmen, daher verstärkt das ‘The’ am Anfang jedes Modells diese Identität durch das Modell. Das gibt dem Träger das Gefühl, noch einzigartiger zu sein und seinen Charakter zu offenbaren.“
Reliefartig erhoben oder poppig gefärbt
Die zweite Korrektions-Linie „Start“ kehrt, wie der Name auch vermuten lässt, zu den Wurzeln des Brillendesigns zurück und beinhaltet feine klassische Formen in einer spannenden Verbindung mit reliefartig erhabenem oder poppig gefärbtem Acetat. „Sun Icecream“ schließlich bietet Sonnenbrillen mit gewagtem Design.
Die Kühnheit ist Programm: „Unsere Philosophie ist es, dass sich jeder frei fühlen kann, anders zu sein und seinen eigenen Stil zu finden. Unsere Marke bietet besondere Designs für diese Unverwechselbarkeit“, so Jean-François Lufeaux.
Struktur-Brillen zu 70 Prozent Handarbeit
65 Mitarbeiter fertigen die Modelle aus Zelluloseacetat, Titan und Metall. 70 Prozent der Arbeitsschritte führen die erfahrenen Handwerker manuell aus. Das Können aus über 50 Jahren Manufaktur-Tradition spiegelt sich in Design und Passform wider, weiß Bonhomme: „Wir verfügen über ein spezifisches Know-how in der Herstellung. Unsere Poliertechnik ermöglicht es, unsere Fassungen kantig und glänzend zu halten. Außerdem achten wir darauf, dass sie bequem sind. Deshalb ist die Nasenauflage jedes Modells so konzipiert, dass sie zu allen Nasentypen passt. Was die Qualität einer Brille ausmacht, ist der Komfort, den sie bietet.“
Am besten verdeutlicht Modell „The Diamond“ die Handwerkskunst der Normannen-Nachfahren. Neun verschiedene Farben werden in einer raffinierten Collagetechnik akribisch von Hand aufgeklebt und stehen für die Facetten eines Diamanten. Das Label stellt zudem seine eigenen Farben her, für jedes Modell sind sechs Farben erhältlich, man ist Partner der beiden italienischen Hersteller La-Es und Mazzucchelli.
Gütesiegel regionale Fertigung
Wichtig für die Macher ist das Siegel „Origine France Garantie“ (OFG), das für nachhaltige regionale Fertigung steht: „Made in Normandie“. CEO Lufeaux: „Es geht um den Wunsch, besser zu konsumieren, aber auch, die nationale Wirtschaft und ihr Know-how zu unterstützen. Sieben von zehn Franzosen sind der Meinung, dass das Herstellungsland ein Entscheidungs-Kriterium ist. Das Gütesiegel OFG garantiert ihnen, dass unser Produkt wirklich in Frankreich hergestellt wird, und gibt ihnen die Gewissheit, dass ihre Wahl richtig ist.“ Nach der ersten grundsätzlichen Zertifizierung durch den Verband ProFrance überprüft ein jährliches Audit die weitere Einhaltung der OFG-Spezifikationen.
Struktur Eyewear arbeitet mehr und mehr an einer ökologisch verantwortungsvollen Produktion. „Acetat-Abfälle werden für die Herstellung von Schlüsselanhängern und für die Polsterung unserer Sendungen wiederverwendet. Unsere Etuis sind mit Leinen überzogen, Beutel und Tücher bestehen aus recycelter Mikrofaser.“
In DACH-Region noch zu entdecken
In Europa ist die Marke für Selbstbewusste in Spanien, Großbritannien, Irland sowie Italien erhältlich, darüber hinaus in einigen Staaten Nord- und Südamerikas, Japan, Australien und Neuseeland. Die DACH-Region ist noch ein weißes Blatt, bis auf einen Kunden in Freiburg/Breisgau, doch die Manufaktur arbeitet daran. 2021 stellte sie sich erstmals in Österreich vor.
2022 sorgte zudem die Auszeichnung bei den Love Eyewear Awards der 100% Optical für Aufmerksamkeit in der Branche. Gleich bei der ersten Teilnahme an der Brillenmesse im April in London erhielt das Label mit dem Modell „The Singer“ den Preis für das beste Unisex-Design. Designer Thierry Bonhomme wählte passend zum matten Acetat-Gehäuse und Titan-Bügeln leuchtende Farben, die beide Geschlechter ansprechen: Litchi, Green Mat und Lemon Mat. „Der Preis hat es ermöglicht, die Fassung noch mehr hervorzuheben und zu einem symbolischen Modell für die Gleichheit von Mann und Frau zu machen“, so Bonhomme.
Macht das Label Struktur Eyewear weiter so von sich reden, wird die wilde Normandie nicht nur für Schlösser und Kathedralen bekannt sein, sondern auch für kühnen Brillenbau.