Warum ein Nachhaltigkeits-Bericht Augenoptikern nützt
von Ingo Rütten,
Ein Nachhaltigkeits-Bericht ist eine Chance, gute Taten des Betriebs ins rechte Licht zu rücken. Dr. Werner Sohn, der als Berater 2017 gemeinsam mit Siegfried Burkart einen der ersten Berichte in der Augenoptik verfasste, nennt das Genre eine „erweiterte Imagebroschüre mit vordefinierten Inhalten“.
Das Interesse am Nachhaltigkeits-Bericht wächst. Einerseits bei der Kundschaft, die sich fernab des Produkt- und Dienstleistungs-Angebots genauer mit den nachhaltigen Aktivitäten eines Unternehmens beschäftigen möchte. Andererseits bei den Augenoptikern selbst, die durch einen Nachhaltigkeits-Bericht Gelegenheit bekommen, sich selbst genau unter die Lupe zu nehmen.
Anzeige
Natürlich, auch hier hat Fielmann gefühlt die Nase vorn. Schon die ersten Seiten des aktuellen Werks aus Hamburg überzeugen mit eigentlich Selbstverständlichem. „Wir helfen allen, die Schönheit der Welt zu hören und zu sehen“, heißt es bei Fielmann, wo dieser Purpose im Einklang mit „unserer zeitlosen, kundenfreundlichen Philosophie“ stehe.
Pionier Optik Burkart
Bei Optik Burkart, dem unabhängigen Augenoptiker mit Filialen in Weil am Rhein, Lörrach und Rheinfelden, klingt das in seinem „Bericht zur gesellschaftlichen Verantwortung“ nicht ganz so blumig: aber im Kern sagt er dasselbe wie der Großfilialist aus dem Norden.
„Nachhaltigkeit bildet den Rahmen für unsere Geschäftstätigkeit. Im Zentrum stehen dabei die Kunden und Mitarbeiter. Unsere Produkte und Dienstleistungen dienen direkt der Gesundheit und Sicherheit unserer Kunden („Gutes Sehen nützt, gutes Sehen schützt”), verbessern deren Lebensqualität und setzen modische und individuelle Akzente.“
Während jeder Mensch in Deutschland schon einmal davon gehört haben müsste, dass Fielmann für jeden Mitarbeitenden einen Baum pflanzt, ist Burkart zumindest in Weil am Rhein als ein sozial äußerst engagierter Mensch bekannt. Doch was er in einen Nachhaltigkeits-Bericht schreiben solle, das musste dem selbstständigen staatlich geprüften Augenoptiker und Augenoptikermeister der Berater erzählen.
Werner Sohn, von Hause aus Physiker, Professor mit Lehraufträgen an internationalen Universitäten und damals Inhaber einer Beratungsfirma für Corporate Social Responsibility („unternehmerische Verantwortung für die Gesellschaft“), musste Burkart anstoßen, ehe der wiederum mit seinem Team „Appetit bekam“ und neben einem wirklich gelungenen Nachhaltigkeits-Bericht einen erheblichen Erkenntnisgewinn generierte, der über den Sinn und Zweck des Unternehmens (= der Purpose) hinausging.
„Viele Sachen kommen erst durch Erfragen auf“
Sohn erinnert sich an die Zeit mit dem Augenoptiker, der während der Arbeit an dem Bericht neue Ideen entwickelte und Anregungen für Verbesserungen notierte. „Viele Sachen kommen ja erst durch Erfragen auf, da kommt plötzlich viel Nicht-Selbstverständliches zutage – wie zum Beispiel der bezahlte Sonderurlaub für einen Mitarbeitenden, weil der eine Schulung der freiwilligen Feuerwehr besucht. Die gemeinsame Analyse ist das Erhellende: Zwar ist der Bericht für Dritte, aber der Erkenntnisgewinn des Unternehmers ist viel höher einzuschätzen als der Nutzen des Berichts.“
Im Falle Burkarts habe sich beim Anblick aller Zahlen schnell herausgestellt, dass das Unternehmen besser dastehe als mancher Mitbewerber. „Herr Burkart konnte darüber hinaus im Anschluss nicht nur die Nebenkosten-Abrechnung in Gänze verstehen, er hatte vor allem ein tiefes Verständnis davon, was in seinem Laden passiert“, erklärt Sohn, der in den 25 Jahren vor der Zusammenarbeit das Unternehmen einzig aus der Sicht eines Kunden kennengelernt hatte. Burkart war ihm bekannt, einen Bezug zur Augenoptik-Branche gab es darüber hinaus für den Berater nicht.
Mitte 2017 veröffentlichte Optik Burkart den Bericht für das Geschäftsjahr 2016. Seitdem steht er zum Download auf der Website des Augenoptikers, doch zunächst interessierte sich so ziemlich niemand dafür. Außer das Team in den drei Filialen, das seitdem anders miteinander umgeht: Es gibt nunmehr regelmäßige Mitarbeiter-Besprechungen und ein Team-Buch, in dem das Miteinander geregelt ist.
Im Rückblick ist Burkart nicht nur deswegen auch heute noch überzeugt von der Erstellung des Berichts, auch wenn „dir deswegen niemand die Bude einrennt. Das Interesse ist erst in den letzten Jahren gestiegen. Aber wir haben direkt im Anschluss fortan weiter an uns gearbeitet, zum Beispiel die Beleuchtung im Betrieb und die kompletten Strukturen geändert“, sagt der Augenoptikermeister.
Tue Gutes und rede darüber!
Burkart sieht alle Augenoptiker in der Pflicht und denkt an einen Nachfolgebericht. Aber auch ohne Dokumentation und Kommunikation ist er der Ansicht, dass die Kleinen sich nicht hinter den Großen verstecken dürften. Er trat schon damals den Beweis an, dass er das auch nicht muss, und er hatte unterstützt durch den Berater auch keine Angst davor, etwas Falsches zu kommunizieren oder sich angreifbar zu machen.
Sohn verweist diesbezüglich gerne auf die generelle Intention eines solchen Berichts: „Tue Gutes und rede darüber! Es gibt im Nachhaltigkeits-Bericht Zahlen, die du nennen musst und Zahlen, die du nennen kannst. Also haben wir uns bei Optik Burkart auf die Stärken konzentriert. Natürlich kann man in der Kommunikation auch etwas falsch machen, aber das Muss steht im Geschäftsbericht, wir konnten das Positive rausstellen.“
Sohn leistete dafür die Vorarbeit und kümmerte sich mit seinem Wissen um den Rahmen, um die richtigen Fragen für die richtigen Antworten. Mittlerweile gibt es einige Anforderungen, aber auch ein paar Rahmenwerke, an die man sich für seinen eigenen Bericht zur gesellschaftlichen Verantwortung halten kann.
„Trotzdem sollte sich ein Augenoptiker unbedingt einen Sparringspartner suchen, jemand, der die Fallen umgehen kann, alles Wesentliche erkennt und die Rahmenwerke und Checklisten versteht. Wer das alleine machen möchte, fährt gegen die Wand“, sagt der mittlerweile im Ruhestand befindliche Berater, der Burkart den Rücken freihielt und gleichermaßen stärkte, sodass der mit selbst geschätzten rund acht Stunden Arbeit am gesamten Bericht auskommen konnte.
Das Bewusstsein ist gewachsen
Noch vor dem Antritt der Rente hatte Sohn vor rund fünf Jahren versucht, weitere Augenoptiker zu animieren. Damals schrieb er etwa 100 Kolleginnen und Kollegen an, „davon haben über 80 nicht geantwortet und nur ein paar wenige haben Interesse gezeigt, sich dann aber nicht mehr gemeldet“, erinnert sich Sohn an die völlig missglückte Akquise. Heute, so darf man annehmen, hätte er bessere Karten, „das Bewusstsein ist gewachsen, es gibt eine Offenheit und das Wissen, etwas tun zu müssen“, weiß Sohn, der sich dabei natürlich nicht nur auf die Augenoptik bezieht.
Womit wir wieder beim Platzhirschen wären, der in seinem aktuellen Nachhaltigkeits-Bericht darauf hinweist, dass viele Maßnahmen im Einzelnen eine kleine Wirkung haben mögen, „aber in ihrer Gesamtheit leisten sie einen wesentlichen Beitrag, ressourcen-schonender und nachhaltiger zu agieren.“
In diesem Sinne gibt es sicher noch mehr Augenoptik-Betriebe, die von sich das behaupten dürfen, was das Team bei Optik Burkart als wesentlich für seinen Bericht empfunden hat: „Der schonende Umgang mit Ressourcen (Energie, Material) ist Teil unseres Produkt- und Betriebskonzeptes, denn wir setzen auf die Langlebigkeit der von uns vertriebenen Qualitäts-Produkte ebenso wie auf die Dauerhaftigkeit unserer Kundenbeziehung. Wir ‚leben‘ Nachhaltigkeit im gesamten Team. Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung ist ein impliziter Bestandteil unseres Leistungsversprechens.“
/// IR
Eine Anleitung
Schritt für Schritt zum Nachhaltigkeits-Bericht
Wer sich ohne Sparringspartner auf den Weg machen oder sich ein erstes Bild verschaffen möchte, kann sich anhand der sieben Phasen eines Nachhaltigkeits-Berichts orientieren.
Phase 1: Vision und Mission
Definieren Sie die Leitlinien und die Strategie des Unternehmens und bestimmen Sie die Werte, die das Unternehmen ausmachen. Aufgrund dessen legen Sie eine Nachhaltigkeits-Strategie fest.
Phase 2: Rahmenbedingungen
Schaffen Sie Verantwortlichkeiten und bilden Sie ein Projektteam. Wichtig ist ein gemeinsames Verständnis für Nachhaltigkeit und ein Maßnahmenplan samt Timeline.
Phase 3: Stakeholder und Themen
Analysieren Sie interne und externe Themen und ermitteln Sie die wesentlichen Stakeholder, nach deren Portfolio eine Wesentlichkeits-Analyse zu erstellen ist.
Phase 4: Daten-Zusammenstellung
Sammlung von Zahlen, Daten und Fakten. Alle wesentlichen Aspekte der Nachhaltigkeit werden durch Befragungen oder anhand von Datensystemen ermittelt.
Phase 5: Ziele und Maßnahmen
Durch die gesammelten Daten und der Analyse des Kontexts kann eine Zielformulierung gestaltet werden. Darunter fallen auch mitunter bereits vorhandene Nachhaltigkeits-Ziele.
Phase 6: Bericht-Erstellung
Überlegen Sie sich den Stil des Berichts und kommunizieren Sie konkrete Daten und Fakten für Ihre Zielgruppe (wesentliche Stakeholder). Formulieren Sie prägnant, sachbezogen und verständlich und geben Sie zudem einen Ausblick auf zukünftige Maßnahmen.
Phase 7: Fortlaufende Überprüfung
„Bleiben Sie am Ball“, prüfen Sie fortwährend Ziele und den Stand der Umsetzung der Maßnahmen. Integrieren Sie fortlaufend neue Erkenntnisse.