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Portrait aus eyebizz 5.2019

Yun Berlin: Brillen im 20-Minuten-Takt

Den Beruf des Augenoptikers kann man bekanntlich auf unterschiedliche Weise ausüben. Viele machen vieles gleich oder ähnlich, aber manche gehen erstaunlich andere Wege, mit Mut zum Risiko. Solche Unternehmerpersönlichkeiten portraitiert eyebizz in jeder Ausgabe. Erfahren Sie mehr über Jiyoon Yun von Yun Berlin und ihren Brillen im 20-Minuten-Takt.

Yun Brillen store
Yun Brillen store: das Brillenförderband ist von draußen gut zu sehen

Der erste Eindruck fesselt sofort. Mit pittoreskem Hightech-Charme wandert der kleine Kasten über das kurvenreiche Spiralförderband. Der Kunde steht währenddessen staunend hinter einer breiten Glasscheibe und wartet, bis die Kiste mit seiner frisch geschliffenen Brille aus dem Yun Lab direkt an die Ladentheke gefahren kommt, wo sie schließlich von Hand angepasst und fertiggestellt wird. Bitte sehr!

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Designerin Jiyoon Yun setzt mit ihrem Eyewear-Store auf der Rosenthaler Straße in Berlin-Mitte seit der Eröffnung im Oktober 2015 Maßstäbe in Sachen Design, Preis und Geschwindigkeit. Das Service-Triptychon macht das ganz besondere Konzept ihres Brillengeschäfts aus, mit dem die 31-Jährige ebenso in Deutschland wie in ihrem Heimatland Südkorea expandieren will.

Yun Berlin - Jiyoon Yun
Yun Berlin – Jiyoon Yun

Gegründet hat die einstige Modedesignerin die Marke zusammen mit ihrem Vater, der über 30 Jahre in der Optikindustrie tätig war. Nach Berlin ist sie ganz bewusst gekommen. Wie so viele hat sie das enorme kreative Potenzial und das Image einer weltoffenen Metropole angezogen. Ihr Business-Geheimnis lautet hingegen sehr diszipliniert: die gesamte Supply Chain in der eigenen Hand.

Die beschauliche Labor-Performance in der Rosenthaler Straße funktioniert dazu auch als perfektes Mittel, um in Zeiten der Online-Konkurrenz die Kundschaft in den Laden zu locken. Von Anfang bis Ende kann der Käufer die Fertigstellung der Brille im Store verfolgen. Und das dauert dazu eben auch nicht so lang.

Tempo als USP

Alleinstellungsmerkmal ist, dass ein Kunde eine verschreibungspflichtige Brille in 20 Minuten bekommen kann. Das ist der entscheidende USP, mit dem Yun Touristen und Hauptstadtbewohner, Geschäftsreisende wie Otto Normalverbraucher gleichermaßen seit Jahren überzeugt. Das merkt man zuweilen auch am Sprachgewirr, das zu Stoßzeiten im Store herrscht. Kinder stehen dann gespannt vor der Glasscheibe und kommentieren die Vorgänge im Lab mit vergnügtem Staunen.

Rund 40 verschiedene Brillenmodelle und mehr als 10.000 Gläser hält der Store parat. Zählt man alle Farbvarianten dazu, gibt es mehr als 120 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. Gerade hat Yun außerdem eine Kollektion mit dem Berliner Modedesigner Hien Le herausgebracht.

Vollautomatisierte Prozesse

Als Sonnenbrille mit und ohne Stärke oder als Modell mit reinem Korrekturglas – bei Yun wird die fertige Sehhilfe im Shop in 20 Minuten fertiggestellt. Die Prozesse sind vollautomatisiert: Bestellt ein Kunde seine Brille, werden die allgemeinen Informationen und Rezeptdaten sofort an die voll automatisierte Fräsmaschine übermittelt. Da das teilweise durch selbst entwickelte Software gestützte System bereits über ausreichend Rahmen- und Brillenglasdaten verfügt, beginnt es, die Gläser entsprechend der Rahmenform und den im System gespeicherten persönlichen Daten zuzuschneiden, sobald die Maschine den Auftrag samt Linsenindex erkannt hat. Dieser Vorgang dauert normalerweise etwa zwei bis vier Minuten. Sobald die Gläser fertig sind, wird der Rest der Arbeit von den Mitarbeitern erledigt: das Anpassen und Fitting des Rahmens.

Yun Brillen store

„So lassen wir die Technologie unsere Arbeit sehr effizient gestalten und nutzen die übrige freie Zeit, um einen optimalen persönlichen Service zu bieten“, erklärt Jiyoon Yun. Wie hoch ihr Investitionsvolumen in Maschinenpark und Technologie war, soll ihr Geheimnis bleiben, dazu werden keine Angaben gemacht.

Produktion in Eigenregie

Auch online funktioniert eine Bestellung nach dem „Keep it simple“-Prinzip: Ein Kunde kann alle nötigen Daten direkt übermitteln, sodass die gewünschte Brille sofort produziert wird. Innerhalb von Berlin erfolgt die Lieferung in Zusammenarbeit mit dem Start-up „Liefery“ in gerade einmal zwei Stunden. Außerhalb der Hauptstadt soll das Ganze innerhalb von 24 Stunden funktionieren. Die komplette Produktion erfolgt in Eigenregie. Die meisten Bauteile entstehen in Yuns Heimatland Südkorea. Die Gläser in unterschiedlichsten Stärken und Schliffen werden in der firmeneigenen Manufaktur produziert.

Die Fassungsmaterialien sind Titan, Ultem oder Premium-Acetat. Durch Produktion und Vertrieb in ein und derselben Hand kommen die verhältnismäßig niedrigen Preise zustande: Die Modelle liegen zwischen 99 Euro für die Varianten aus Premium-Acetat und 149 Euro für die Titan- und Ultem-Versionen – inklusive der geschliffenen Gläser. Langlebigkeit und Qualität will man dank der ebenso robusten wie flexiblen Materialien so für jedes Modell gewährleisten. Durch die Beschichtung, die unter Vakuum appliziert wird, sind die Gläser kratzfest, antireflektierend und wasserabweisend. Auf alles gibt das Unternehmen drei Jahre Garantie.

Hippes Store-Konzept

Die Berliner Dependance umfasst rund 200 Quadratmeter. Der Ladenbau ist bewusst reduziert. Minimalismus rules – das gilt als Standard in der hippen Hauptstadt. Alle Mitarbeiter sind gelernte Augenoptiker. Mit Store-Managerin Stephanie Zehrendt beschäftigt das Label eine Meisterin. Derzeit gehen rund 35 Brillen pro Tag über die Theke, erklärt Zehrendt, die die Berliner Filiale seit dem Frühsommer leitet.

Die Augenoptikerin, die im Großraum Köln ihre Ausbildung absolviert und die Meisterschule besucht hat, beeindruckte bei Yun von Anfang an das spannende Konzept. Die positiven Aspekte des Store- und Label-Konzeptes sind aus ihrer Sicht vielfältig. „Für Kunden ist es optimal, dass man immer das komplette Sortiment in allen Varianten zur Ansicht da hat, dass man seine Daten selber ins System eingibt, und das Wichtigste natürlich, dass man die Brille direkt nach 20 Minuten schon abholen kann“.

Yun Brillen store

Aus Mitarbeitersicht sei es angenehm, dass man sich nicht erst an andere Firmen wenden müsse, wenn man Ersatzteile brauche, sondern alles da habe. „Auch für Optiker ist das Konzept der 20-Minuten-Brille ungewöhnlich“, betont die 34-Jährige. Noch ungewöhnlicher aber sei, dass die Mitarbeiter bei der Entwicklung der Brillendesigns dabei sein dürfen. Anregungen und Kritik seien sehr erwünscht, wodurch man aktiv am Fertigungsprozess der Brillen teilhaben könne.

Außerdem möge sie persönlich die „koreanische” Sicht auf einen Arbeitgeber: „Für viele Koreaner ist das Unternehmen, in dem man arbeitet, Teil der Familie und wird auch so behandelt“. Das gelte andersherum auch für die Mitarbeiter. Während dieser Artikel entsteht, kommt die Label-Chefin gerade zurück aus Seoul, wo der nächste Store eröffnen soll.

Designer-Brillen-Kollektion mit Hien Le

Und auch für die Berliner Modeszene zeigt Yun sich anschlussfähig: Im März hat das Eyewear-Label eine Sonnenbrillenkollektion mit Hien Le gelauncht. Der cleane Purismus des deutsch-laotischen Designers mit seinen sanften Farbtönen und feinen Stoffen passt offenbar perfekt. Im Rahmen der Kooperation hat Hien Le die beiden Yun-Modelle „Alex“ und „Finn“ mit braunen, grauen und grünen Sonnenbrillengläsern ergänzt. „Das Verständnis von Minimalismus und Zeitgeist ist das, was Yun und Hien Le verbindet. Unsere erste gemeinsame Capsule Collection vereint Hien Les Sinn für Ästhetik mit dem zeitlosen Design von Yun“, so die Label-Gründerin Jiyoon Yun.

Vertrieben werden die Brillen bereits seit Mitte März im Berliner Store der Brillenmarke sowie im eigenen Online-Shop. Der kommunizierte Preis pro Modell liegt bei 199 Euro.

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Rüdiger Oberschür ist Dipl.-Theaterwissenschaftler, seit über 15 Jahren journalistisch tätig, Fotograf und Trend Scout.

 

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