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Bietet erweitertes Versorgungsmodell

Ritterschlag für Mirantus?!

Dr. Claus Gruber ist 30 Jahre alt und damit jung genug, um die konservativen und derzeit bestimmenden Köpfe im Berufsverband der Augenärzte (BVA) zu überleben. Gleichzeitig ist der promovierte Gründer der Mirantus Health GmbH aber auch schon erfahren genug, dass er mit diesen Köpfen umgehen beziehungsweise – noch besser – sich mit ihnen konstruktiv auseinandersetzen kann.

Mirantus Health Messung
Das Mirantus-Team übernimmt in „einstudierten Handgriffen“ alles: Von der Visus- und Refraktionsbestimmung, der Vermessung der aktuellen Brille über die Tonometrie bis hin zur Betrachtung des vorderen Augenabschnitts mittels Spaltlampe und der Netzhaut mittels Funduskamera (© Mirantus Health)

Im nachfolgenden Interview mag der in München aufgewachsene und in Berlin lebende Gruber nicht so gern über den BVA und dessen Ansichten reden, schließlich sei man in guten Gesprächen. Lieber verweist er auf die im Juni dieses Jahres veröffentlichte BVA-Stellungnahme und damit auf die offizielle Version aus der Ärzteschaft zum Angebot von Mirantus. Die BVA-Position ist wahrlich nicht neu und sehr ähnlich schon aus der Stellungnahme des Ocumeda/Fielmann-Angebotes bekannt. Beinahe möchte man meinen, gerade deswegen taugt die neuerliche Stellungnahme zum Ritterschlag für Mirantus!

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Was noch gar keine Rolle im Positionspapier des BVA spielt, ist das erweiterte Versorgungsmodell auf lokale Augenoptiker, das eyebizz bereits in der Ausgabe 5.2024 vorgestellt hat. Laut Gruber wird der teilnehmende Augenoptiker in diesem neuen Konzept zu einem Zentrum für Augenkompetenz – und das nahezu ohne eigenes Zutun. Im Grunde genommen sieht das Modell vor, dass sich das Mirantus-Team um alles kümmert, sofern der Augenoptiker keine Wünsche hegt, selbst in den Prozess eingebunden zu werden (siehe Interview).

Mirantus möchte als ein aus der Forschung hervorgegangenes Gesundheits-Start-up mit Sitz in Berlin den Zugang zu augengesundheitlicher Versorgung verbessern. Und hier liegt vielleicht der Hase im Pfeffer: Augengesundheit verbessern, das ist den Ärzten vorbehalten. Die sind auch in das „Versorgungsmodell für eine wohnortnahe Augenuntersuchung“ integriert, wenn gleich nur remote, worauf der BVA einen Großteil seiner üblichen Abwehrhaltung stützt. Laut Mirantus werden die nicht-ärztlichen Messungen durch speziell geschulte Optometristen mit modernsten mobilen Gerätschaften vor Ort ausgeführt. Im Anschluss bestehe die Option, die Ergebnisse durch Augenärzte digital aus der Ferne auswerten zu lassen.

Dienstleistungen erweitern ohne Investitionen

Wenn Sie sich nun also fragen, was das Neue an diesem Modell ist, so ist das die Tatsache, dass die Augenoptiker nur einen Raum zur Verfügung stellen müssen, um optometrische Dienstleistungen und ein Stück Augengesundheitsvorsorge anbieten zu können. Besser gesagt anbieten zu lassen. Gruber sieht darin nur Vorteile. Der Augenoptiker könne dem steigenden Bedarf nach Augengesundheitsvorsorge und dem zunehmenden Wettbewerb gerecht werden und seine Dienstleistung erweitern, ohne in teure Geräte investieren zu müssen.

Wenn die Geräte aber schon vorhanden sind – und Bitteschön auch die unbedingt nötige Expertise in Sachen Optometrie! – dann können die Augenoptikerinnen und Augenoptiker auch an die Mirantus-Plattform angebunden werden, „um vor Ort erhobene Untersuchungsergebnisse DSGVO-konform an Augenärzte zur Auswertung weiterzuleiten und Kunden zu ermöglichen, Termine für Videosprechstunden oder physische Termine in einer Praxis zu vereinbaren“, erklärt der Start-up-Gründer.

Spätestens an dieser Stelle gibt es nur noch wenig Differenzierung zu anderen Anbietern, aber beim Komplettpaket sieht das anders aus: hier braucht es keine Geräte, keine Investitionen, kein (gesondertes!) Fachwissen und auch kein Personal. Das alles bringt Mirantus mit. Es wird nur ein Raum benötigt, um sich nach außen hin in der Optometrie tummeln zu können.

Einsatzteam kümmert sich nebenan

Das Einsatzteam von Mirantus kümmert sich dann nebenan um die umfassende Untersuchung des vorderen und hinteren Augenabschnitts und um die eventuell anfallenden nächsten Schritte. Zwei bis dreimal im Monat könnte das mobile Team zum Augenoptiker kommen, um an vorab angemeldeten Kunden (normalerweise 20 bis 30) die Messungen durchzuführen: Von der Visus- und Refraktionsbestimmung, der Vermessung der aktuellen Brille über die Tonometrie bis hin zur Betrachtung des vorderen Augenabschnitts mittels Spaltlampe und der Netzhaut mittels Funduskamera.

Warum der Augenoptiker nicht zumindest in den Ablauf einbezogen wird, erklärt Gruber im Interview. Hinweise, warum der BVA das natürlich nicht gut finden kann, gibt es in dessen Stellungnahme. Eins dürfte dabei jedoch unstrittig bleiben, auch wenn auch hier der BVA eine exklusive und andere Meinung vertritt; oder vertreten muss: Der Bedarf nach einer Augengesundheitsvorsorge steigt und wird schon sehr bald nicht mehr nur ein Thema für ländliche Regionen sein.

Schon heute lässt sich eine zunehmend angespannte Versorgungssituation durch den Anstieg der Patientenfälle bei einer alternden Ärzteschaft und einem gleichzeitigen Mangel an Nachfolgern beobachten. Der erhöhte Bedarf an augenärztlicher Versorgung durch die weiterhin alternde Bevölkerung ist bereits im DOG-Weißbuch von 2012 mit einem Wert von 35 Prozent für die Jahre 2010 bis 2030 dokumentiert. Dabei zählt die Augenheilkunde schon jetzt zu den am häufigsten in Anspruch genommenen Facharztrichtungen.

Mirantus Health wurde 2023 vom Handelsblatt und der Techniker Krankenkasse als eines der Top 10 Gesundheits-Start-ups Deutschlands ausgezeichnet. Ohnehin zeigen sich die Krankenkassen laut Gruber der Idee durchaus aufgeschlossen. Eine gemeinsame Studie mit der Universitäts-Augenklinik Bonn zur Teleophthalmologischen Versorgung von Seniorenheimen mittels des Versorgungsmodells von Mirantus wurde zur Publikation im Deutschen Ärzteblatt akzeptiert und wird dort demnächst veröffentlicht.

Man muss kein Prophet sein, um vorhersagen zu können, dass das vom englischen Ansatz des „Primary Eye Care Service“ abgekupferte Modell durchaus die augengesundheitliche Versorgung durch die Augenärzte entlasten und unterstützen könnte – vermutlich irgendwann auch wird. Die Frage nach dem Bedarf stellt sich wie erwähnt dabei eher nicht, vielmehr dann aber doch die nach der Rolle des Augenoptikers und Optometristen, die eyebizz im exklusiven Interview mit Dr. Claus Gruber nach vorne gestellt hat.

/// Ingo Rütten

 


Dr. Claus Gruber im Interview

„Wir haben alle ein gemeinsames Ziel“

Von München als Medizinstudent aus ist Dr. Claus Gruber schon weit herumgekommen, um die Versorgungsmodelle in Sachen Augengesundheit anderswo zu erfahren. Ob in Boston an der Havard Medical School oder in Sydney und in Zürich, Gruber fand schnell Interesse an den Möglichkeiten der Telemedizin und an den neuen Herausforderungen in der Augengesundheit. Nach der Zeit als Studierender und Forschender lernte er in Berlin Dominik Pederzani kennen, seines Zeichens Betriebswirt mit Erfahrungen als Gründer eines Start-ups. Gruber und er tauschten sich aus über die Rolle der Telemedizin in der Zukunft, heraus kam vor zweieinhalb Jahren die Mirantus Health GmbH mit Pederzani als CEO und Gruber als Chief Medical Officer (CMO) und fachlich zuständiger Ansprech- und Interviewpartner für Ingo Rütten.

Dr. Claus Gruber und Dominik Pederzani von Mirantus Health
Dr. Claus Gruber (li.) und Dominik Pederzani gründeten vor rund zweieinhalb Jahren die Mirantus Health GmbH in Berlin (© Mirantus Health)

Herr Gruber, am Anfang einer Vorsorge nach der Mirantus-Idee stehen die Visus- und die Refraktionsbestimmung im Hause des Augenoptikers. Wäre ich der Augenoptiker, dann würde ich doch gerne zumindest an dieser Stelle meinen Auftritt als Pflicht ansehen. Warum soll das von Ihrem Team übernommen werden?

Dr. Claus Gruber: Wir bieten ein standardisiertes Verfahren aus einer Hand an, die Handgriffe sind einstudiert und müssen schnell und effizient erfolgen. Hierzu sei gesagt, dass wir routinemäßig eine objektive Refraktion machen, die subjektive Prüfung im Einzelfall ist gewiss eine Aufgabe des Augenoptikers. Bislang hat keiner unserer Kunden den expliziten Wunsch geäußert, aber wenn es vom Ablauf her passen könnte, werden wir darüber gemeinsam mit unserem Partner nachdenken. Es muss nur schnell und effizient bleiben und unseren Maßstäben gerecht werden.

Auch die nächste Frage geht in Richtung Mitwirkung der Augenoptiker. Warum wird die Auswertung per Post oder E-Mail an den Kunden direkt verschickt, warum nicht an den Augenoptiker, wie es beispiels-weise bei Mitbewerbern der Fall ist?

Das ist historisch so gewachsen. Bevor wir unser Angebot für lokale Augenoptiker ausgeweitet haben, waren wir beispielsweise in Rathäusern und Gemeindezentren mit unseren Teams im Einsatz. Auch hier könnte man darüber nachdenken, das zu ändern, wenn ein Augenoptiker das möchte und es sich datenschutzkonform realisieren lässt.

Einer Meinung sind wir beide bei der Frage nach dem steigenden Bedarf, hier wiederum widerspricht der Berufsverband der Augenärzte.

Die Versorgungslücke ist nicht mehr zu übersehen, die Menschen werden älter und die Prävalenz der Augenkrankheiten steigt ohne Zweifel. Wir müssen die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen, denn die Routineuntersuchungen machen schon jetzt die Wartezimmer der Augenärzte voll. Es ist auch kein Geheimnis, dass auch die Augenärzte immer älter werden und dass viele jüngere nachrückende Ärzte mehr auf Work-Life-Balance achten. Wir sind derzeit vor allem im Norden und Osten Deutschlands unterwegs und stellen fest, dass die Wartezeiten für Vorsorgeuntersuchungen sehr lang sind und bei vielen Praxen ein Neupatientenaufnahmestopp gilt.

Noch einmal, dem widerspricht der BVA, der zudem die Meinung vertritt, nur in Augenarztpraxen oder Kliniken seien diese Untersuchungen überhaupt möglich – vom Personal haben wir da übrigens noch gar nicht gesprochen.

Ich möchte nicht so viel dazu sagen, aber wir teilen die Auffassung der Stellungnahme so nicht. Hochqualitative Untersuchungen sind mit Blick auf das englische Gesundheitssystem auch außerhalb von Augenarztpraxen möglich. Wir bemühen uns diesbezüglich um einen guten Austausch, denn wir haben alle ein gemeinsames Ziel: eine bessere Versorgungslandschaft.

Ihre Idee ist für Augenoptikbetriebe entstanden, die nicht willens oder nicht imstande sind, Investitionen in Geräte und Fachwissen zu tätigen. Nun bieten Sie ein zweites Paket an, „Software only“. Wie unterscheidet sich das von den bestehenden Angeboten am Markt?

Bei der Auswertung und Validierung. Wir verschaffen Augenoptikern, die über Fachwissen und Geräte verfügen, Zugang zu unserer Plattform und zur Auswertung für deren Kunden. Inklusive der Möglichkeiten des Nachsorgekonzeptes – also einer Videosprechstunde und einem schnellen Termin bei einem Augenarzt. Um eine einheitlich hohe Qualität der Messungen zu gewährleisten, stellen wir zudem sogenannte Standard Operating Procedures zur Verfügung, mit Augenärzten entwickelte Untersuchungsleitfäden.


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Artikel aus der eyebizz 6.2024 (November/Dezember)

 

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