Räumliches Sehen ist auch im Sport unerlässlich. Doch wenn es darum geht, Brillenträgern die optimale Sicht zu ermöglichen, arbeiten die beiden Vertriebskanäle für Sportbrillen noch lange nicht selbstverständlich zusammen: Sporthändler und Augenoptiker*innen könnten sich besser vernetzen und mehr voneinander profitieren. Zwei Sportoptiker berichten von ihren Erfahrungen.
Ein scharfer Blick spielt im Sport eine entscheidende Rolle, für die Präzision beim Golf, die Reaktionsfähigkeit beim Tennis oder die Sicherheit im Rad- oder Skisport. Diesen scharfen Blick dürfen auch Brillenträger nicht verlieren, wenn sie Bällen oder Sekunden nachjagen. Bei der Versorgung mit der individuell besten Lösung für ihren Sport besteht aber noch sehr viel Luft nach oben.
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52 % aller Brillenträger nutzen laut ZVA-Studie von 2019 beim Sport einfach ihre ganz normale Brille, 37 % überhaupt keine. Lediglich 5 % sind wirklich gut gerüstet und nutzen eine spezielle Sportbrille. Viel Potenzial also. Wie kann es angezapft werden?
Steilvorlage für beide Seiten
eyebizz hat gemeinsam mit der SAZ Sport, dem Branchenblatt für den Sportartfachhandel, die Fühler ausgestreckt – im Handel und bei Sportbrillenherstellern. Die Idee dahinter: Die Kunden da abholen, wo sie häufiger sind, eben beim Sporthändler, und genau dort das Bewusstsein für die Vorteile einer optischen Korrekturlösung schärfen. Doch die Suche nach Sporthändlern, die dieses Wissen aktiv vermitteln, indem sie eng mit Augenoptikern kooperieren, glich der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wir haben bei großen Sportbrillenherstellern nach „Best Cases“ gefragt. Die Ausbeute war überschaubar, doch wir bekamen auch hilfreiche Tipps und sahen manchen Leuchtturm.
Bei Engelhorn Sports in Mannheim arbeitet in der Brillenabteilung eine Augenoptikermeisterin. „Das Thema ist auf jeden Fall für den Sportfachhandel interessant, da mit optischen Korrektionsbrillen sehr hohe Durchschnittspreise erzielt werden können und der Kunde eine wirklich bleibende Erinnerung an den Händler hat“, erklärt Geschäftsführer Armin Weger. Das Vertrauen in den Sporthändler sei ohnehin groß, da das gesamte Sport-Equipment von dort bezogen werde. Auch bei Sport Scheck in München war eine Augenoptikermeisterin angestellt. Momentan ist diese Stelle aber nicht besetzt. Immerhin, so war zu erfahren, halte man diesen Service weiterhin für sehr interessant.
Sporthändler erreichen alle Sportler
Kleine Sporthändler können diesen In-House-Service kaum leisten, aber die Aussage von Armin Weger, dass dieses Thema für ihn interessant sei, gilt grundsätzlich für den Sportfachhandel. Und darin liegt auch ein wichtiger Hinweis an alle Augenoptiker*innen: Es ist der Sportfachhandel, der Sportler am besten erreicht.
Dennoch spielen Sportbrillen, die sich optisch verglasen lassen, hier noch eine Nebenrolle. Uvex Sports bietet beispielsweise nur plane Sportbrillen über den Sportfachhandel an. Sportbrillen mit der Möglichkeit einer optischen Korrektion, die an Augenoptiker*innen vertrieben werden, findet man in einer anderen Unternehmenssparte, bei Uvex Safety, der Abteilung für Arbeitssicherheit.
Alpina Sports trennt weniger streng. Hier findet man im Katalog auch verglasbare Brillen, die über den Sportfachhandel und einige Augenoptiker*innen vertrieben werden. Doch macht der Verkaufsleiter Oliver Keßler unmissverständlich klar, wo seine Prioritäten liegen: „Da wir eine Sportcompany sind, ist der Hauptvertriebsweg der Sportfachhandel, nicht die Augenoptiker, auch wenn wir einige als Kunden haben. Das ist aber nicht unser Schwerpunkt. Wir können dafür nicht eine weitere Ressource installieren, weil wir sagen, wir wollen das Thema forcieren, das trotz allem verschwindend gering ist.“
Der Ball liegt beim Augenoptiker
Die Erklärung für diese Zurückhaltung zeigt ein anderes Umfrage-Ergebnis. Nicht genug, dass lediglich 5 % der Brillenträger auf eine Sportbrille mit optischer Korrektur setzen. Viel deutlicher spüren die Hersteller einen anderen Wert der ZVA-Studie. Da heißt es: „Brillenträger kaufen ihre Sportbrille zu 93 Prozent im Augenoptikerfachgeschäft. Sportgeschäfte oder Drogeriemärkte haben lediglich einen Anteil von jeweils zwei Prozent“.
Der Ball liegt also erst einmal bei den Augenoptiker*innen. Einer von ihnen ist Kay-Uwe Künzel aus Hamburg mit einer mehr als interessanten Geschäftskonstellation. Neben seinem augenoptischen Fachbetrieb führt er auch ein Sportgeschäft, allerdings ohne Vollsortiment. Künzel hat sich auf Teamsport-Bekleidung spezialisiert.
Im Windschatten erfolgreich: Kontaktlinsen
Im Teamsport und in allen Kontaktsportarten, so Künzel, hat die Sportbrille keine Bedeutung. Selbst die Modelle mit Kopfband seien lediglich im Einzelfall gefragt. „Im Handball werden sie gar nicht genutzt. Eher noch im Basketball, aber im Grunde nur, wenn es mit Kontaktlinsen nicht geht“, sagt der Insider und findet so den eleganten Schwenk in sein Lieblings-Fachgebiet. Für „Linsenprimus“ Künzel werden im Sport nämlich zu wenig Kontaktlinsen genutzt. Er sieht hier riesiges Potenzial, wenn Augenoptiker*innen Sportler häufiger darauf ansprechen würden. Die Nähe zum Sport und das sportliche Image – nicht zuletzt durch sein Sportgeschäft – helfen ihm, bei dieser Frage kompetent und glaubwürdig zu sein. „Das tut uns ganz gut“, sagt er.
Also: In einigen Sportarten hat die Brille (fast) nichts verloren und Kontaktlinsen sind eine ernst zu nehmende Alternative zu optisch verglasten Sportbrillen. Augenoptiker, die sich auf letzteres spezialisieren und eine authentische Nähe zum Sport haben, fahren als „Sportoptiker“ sehr gut damit.
Wie Jos Ruschel aus Trier, der auf die eyebizz-Umfrage zur Sportoptik geantwortet hat. Seit über 15 Jahren pflegt er persönliche Kontakte zu Rad- und Sporthändlern, präsentiert sich bei Sportveranstaltungen und bietet sogar Radtouren zum Testen von Sportbrillen an. Oder Christoph Rauter, Sportoptiker in Wien. Er weiß, wie wichtig es ist, die Sprache der Sportler zu sprechen, und hat schon Verkaufsteams von Sporthändlern geschult. Bernd Willer, Geschäftsführer von Der Alpenoptiker in Garmisch-Partenkirchen, arbeitet ebenfalls profitabel mit Akteuren des Sporthandels zusammen (siehe Interviews weiter unten).
Das Teamspiel gelingt schon – auf Herstellerebene
Augenoptiker*innen, die diesen Schritt gehen, kommen ja nicht als Bittsteller. Sie haben Sporthändlern etwas Wertvolles zu bieten: Kundenzufriedenheit. Der Anpfiff ist längst erfolgt, aber wenn das kein müdes Ball-Geschiebe bleiben soll, sind beide Seiten, Augenoptiker*innen und Sporthändler, aufgefordert, sich aktiv(er) am Spiel zu beteiligen. Rauter spricht von losen Kooperationen, aber mehr braucht es vielleicht gar nicht. Wenn die Berater im Münchner Oakley-Flagship-Store ihre Kunden bei Bedarf zum Augenoptiker Messbacher schicken, dann handeln sie von sich aus im Sinne der Kundenzufriedenheit. Und nicht, weil es da eine Vorgabe des Herstellers gibt, wie man uns bei Oakley versichert. Das ist Netzwerkbildung im klassischen Sinne, auf der informellen Ebene.
Doch können auch die Sportbrillenhersteller einen entscheidenden Beitrag leisten. Matthias Neumeir, Vertriebsmann für die Marken „adidas Badge of Sports“ und „adidas Originals“ bei Marcolin, will die Trennung der beiden Vertriebskanäle erst gar nicht zulassen, schließlich kooperierten Sportartikel- und Augenoptikbranche ja auch auf Hersteller-Ebene. Bei Marcolin pflege man eine Partnerschaft mit Shamir Optic, um die Kunden der Augenoptiker*innen bei der Verglasung der eigenen Brillenmodelle zu unterstützen.
Das Zuspiel kann noch besser werden
Unser Fazit fällt bescheiden hoffnungsvoll aus: Die beiden Vertriebskanäle – Sporthandel und Augenoptiker*innen – funktionieren noch weitgehend unabhängig. Doch, wo sie zusammenlaufen, entsteht ein scharfes Bild. Das Bild einer anspruchsvollen, zufriedenen Kundschaft, die intensiv beraten werden will und bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen. Dass Sportler ganz auf eine Brille verzichten, kann weder Augenoptiker noch Sporthändler zufrieden stellen. Gemeinsam besteht die Chance, diesen Fehler zu korrigieren. ///
Tipps vom Spielfeld. Zwei Sportoptiker berichten.
„Sportfachhändler sind gute Transporteure“
Christoph Rauter, sportoptiker, Wien, Pionier bei der optischen Verglasung von Sportbrillen mit eigenem Patent.
Was gewinnt ein Augenoptiker, wenn er mit dem Sportfachhandel kooperiert?
Wir haben mit zwei Sportfachhändlern in unserer Umgebung eine lose Kooperation. Ich habe deren Teams geschult, sodass alle dort wissen, was wir können, was optisch möglich ist, wo es Sinn macht und worauf es ankommt. Für uns ist es kein Problem, wenn der Kunde beim Sportfachhändler seine Sportbrille kauft und wir das optisch verglasen. Sporthändler sind super Transporteure für uns, weil die Kunden bei der Sportbrille erst einmal an den Sportfachhandel denken. Wenn Sporthändler wissen, wie wichtig scharfes Sehen beim Sport ist und wie das die Leistung beeinflusst, und wenn das über möglichst viele Kanäle transportiert wird, kommt es irgendwann auch bei den Kunden an.
Muss man selbst Sportler sein, um mit Sportoptik erfolgreich sein zu können?
Ja, weil man dann die Sprache spricht. Es gibt verschiedene Sportarten mit eigenem Vokabular, das kann man sich aneignen, wenn man Augen und Ohren offen hält. Man muss nicht selber alles ausüben, aber wenn bei uns z.B. ein Kunde zum Thema Skisport anruft und nach zwei Sätzen weiß: „Aha, der hat Ahnung, von was er redet!“, dann hilft das natürlich.
Sportbrillen, zumal auch noch verglast, sind durchaus ein hochpreisiges Produkt. Schrecken manche Kunden davor zurück?
Ich sehe da den großen Vorteil der Sportoptik. Wir reden endlich nicht nur vom Preis, sondern wir reden von Lösungen. Die Kunden dafür sind da.
leer
„Bei Sportschuhen wird ja auch mit Orthopäden zusammengearbeitet“
Bernd Willer, Der Alpenoptiker, Garmisch-Partenkirchen, Motto: „Ganz im Süden, statt Fernost!“
Wie können Augenoptiker*innen und Sporthändler gemeinsam die Versorgung von Brille tragenden Sportlern verbessern?
Wir haben beim benachbarten Sportfachhändler Schulungen für die Mitarbeiter durchgeführt, um ihnen zu vermitteln, was optisch verglasbar ist und was nicht. Der Grundgedanke ist, dass der Sporthändler die Sportbrille verkauft und wir für die optische Korrektur sorgen.
Die zweite Idee, die wir einmal umgesetzt haben, ist, beim Sporthändler jede Brille, die verglasbar ist, mit einem kleinen Aufkleber oder Anhänger zu versehen. So weiß ein Kunde, wenn er Brillenträger ist, dass er sich diese Sportbrille aussuchen und mit seinen Werten verglasen lassen kann.
Welche Tipps für Augenoptiker*innen und Sporthändler haben Sie, um das Thema voranzutreiben?
Man muss es über Mund-zu-Mund-Propaganda vorantreiben. Aus Erfahrung weiß ich: Wenn ich die Mitarbeiter oder die Chefetage eines Sporthändlers gut versorgt habe, dann ist auf dieser Seite ein anderes Bewusstsein für den Mehrwert entstanden. Wenn ein Sporthändler einen Sportschuh oder Skischuh verkauft, arbeitet er mit einem Orthopädietechniker zusammen, der die Probleme des Kunden mit dessen Füßen löst. Diese Zusammenarbeit wird schon lange praktiziert. Die könnte man auch für die Augen weiterentwickeln.
Gibt es da noch Berührungsängste und Konkurrenzdenken?
Ich denke, das ist ein deutsches Problem, dass man dem anderen wenig gönnt. Ich gebe ja auch Sportoptik-Schulungen für Augenoptiker. Da höre ich manchmal: Wir haben wenig Interesse an Sportbrillen, da wird sowieso alles beim Sporthändler gekauft. Sporthändler, bei denen ich Schulungen gemacht habe, sagen wiederum: Wir haben auch nicht viel Interesse, das geschieht alles beim Augenoptiker. Irgendwo liegt die Wahrheit dazwischen. Wenn man da gemeinsam daran arbeitet, wird das für beide interessant.
Die Fragen stellte Marc Schneider
Marc Schneider schreibt seit über 20 Jahren über Sport und Freizeitthemen (früher DSV aktiv Ski & Sportmagazin, heute BIKE-Magazin) und fast ebenso lange für die SAZ Sport und SAZ bike. Ob beim Bergsport mit Mountainbike, bei der Skitour oder bei Ski Alpin, der passionierte Outdoor-Sportler ist nie ohne Sportbrille unterwegs. Klar, dass er schon mehrfach über Sportbrillen geschrieben hat.