Steinzeit-Psyche: Statt Schwarz-Weiß-Denken ein Sowohl-als-auch
von Dr. Jürgen Bräunlein,
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Lichtschalter bestechen durch Eindeutigkeit. Licht an. Licht aus. Computer sind auch so: binär, reden nur mit Null und Eins, sagen also immer: Entweder-oder. Dazwischen gibt’s nichts. Das ist geistig etwas beschränkt. Doch bloß kein falscher Hochmut von menschlicher Seite.
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Auch wir sind nicht immer besser, sondern oft und gern mit nur zwei Schubladen unterwegs, klicken manisch Like- und Dislike-Buttons. Wie unsere Vorfahren, die blitzschnell entschieden: essbar oder giftig, Freund oder Feind, Daumen rauf oder Daumen runter. Sie wollten nicht verhungern, nicht verspeist werden.
„Mache die Dinge so einfach wie möglich“, riet selbst Albert Einstein, doch ein Schwarz-Weiß-Denken hatte er nicht im Sinn, sondern ergänzte: „Aber nicht einfacher!“
Das Denken in sich gegenseitig ausschließenden Kategorien ist in einer zunehmend komplexen, unbeständig gewordenen Welt nutzlos, weil zu simpel. Die Lösung der großen Herausforderungen liegt heute in einem noch zu findenden dritten Weg, einem Sowohl-als-auch und in den vielen Grautönen dazwischen.
So bei der Customer Journey. Aus dem Gegensatz „Brillenkauf stationär oder online?“ wurde längst ein munteres Sowohl-als-auch mit vielen Optionen, wie sich Multichannel für Kunden inszenieren lässt (S.33).
Differenzierte Antworten gibt es in dieser eyebizz auch bei der Frage, wie sich Betriebsabläufe sinnvoll digitalisieren lassen (S.46) und ob Augenoptiker*innen dabei auch auf Screenings mit Backup-Augenärzten setzen sollten. Die Antwort auf Letzteres: Jein (S.50).
Ein anderer Weg aus dem Schwarz-Weiß-Denken ist der Perspektivenwechsel. Dieter Meis fiel auf dem Spectaris Trendforum in Berlin auf, weil er auf dem Podium kein Blatt vor den Mund nahm. In dieser Ausgabe will der Ex-Fielmann-Berater und Geschäftsführer der Optikerkette ounda GmbH in der neuen eyebizz-Kolumne Seyetenblick genau das schreiben: Klartext.
Auch die Corona-bedingte Verschiebung der opti in den Mai macht neues Denken möglich (S.14). Könnte die deutsche Branchenleitmesse nicht immer im Frühling stattfinden? Und (wieder) immer in München? Mitte Januar, wenn die GHM den Termin für 2023 bekannt gibt, wissen wir‘s.
Last but not least: Über ein Jahr lang präsentierte Uwe Hannig in eyebizz die Ergebnisse seiner Bachelorarbeit zum Thema „Image der Augenoptik“. In dieser Ausgabe zieht er sein Fazit und schlägt Alarm: Für jeden dritten Auszubildenden ist Augenoptiker*in kein Traumberuf (S.26). Hannig fordert die gesamte Branche dringend auf, das Berufsbild kritisch für die Zukunft zu reflektieren. Haben Sie Lust, mitzudiskutieren? Ihre Meinung interessiert mich. Mit und ohne Schwarz-Weiß-Denke: braeunlein@eyebizz.de.
Wohltuende Weihnachtstage und einen opti-mistischen Start ins neue Jahr wünscht Ihnen
Dr. Jürgen Bräunlein
Chefredakteur eyebizz
Artikel der eyebizz 1.2022 (Dezember/Januar, erscheint am 15. Dezember 2021)