„Avatar – Aufbruch nach Pandora“ von 2009 ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter Film, der Ende dieses Jahres in den Kinos fortgesetzt wird. Wer so lange nicht warten möchte oder sich für den Einsatz von Avataren fernab von Hollywood interessiert, sollte bei Zeiss oder einem fortschrittlichen Augenoptiker vorbeischauen.
Auch bei Zeiss Vision Care gibt es Kinofans. In Aalen wie Oberkochen gibt es zudem mindestens so viele schlaue Köpfe, die 2017 erstmals einen Avatar als Prototypen für das Virtual Try-on zum Einsatz brachten. Seitdem wurde und wird die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt. So dient Virtual Try-on als ein Bestandteil des Zeiss Visufit 1000 und ist vielleicht das perfekte Beispiel für die Digitalisierung beim Augenoptiker und den Einsatz hochmoderner Technologie im Rahmen einer auf das heutige Einkaufsverhalten abgestimmten virtuellen Brillenanprobe.
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„Virtual Try-on @Home“ ermöglicht eine (virtuelle) Brillenanprobe für zu Hause, doch der Avatar bleibt an das Fachgeschäft geknüpft, in dem er erstellt wurde und soll somit für Kundenbindung vor Ort sorgen. „Letztlich können wir so unseren Kundinnen und Kunden aus der Augenoptik ein Tool an die Hand geben, mit dem sie sich vor allem in Sachen Qualität vom Online-Wettbewerb abheben“, erklärt Dr. Oliver Schwarz, Senior Entwicklungsingenieur und technischer Projektleiter bei Zeiss.
Ergebnis oft enttäuschend
Es gibt mittlerweile einige Brillenträger, die per Smartphone oder Laptop versucht haben, eine Brille virtuell anzuprobieren. Viele von ihnen wissen, dass das nicht immer einfach ist, das Ergebnis enttäuschen kann. Das soll bei Zeiss durch die technologisch ausgereifte Lösung zur virtuellen Anprobe von Brillenfassungen und -gläsern anders sein.
Schwarz kennt Gründe, warum die Lösung des Unternehmens nach eigener Ansicht mit einer bis dato nicht erreichten Maßhaltigkeit und Detailliertheit für eine korrekte (Online-)Anpassung einer Brille daherkommt: „Wir haben viel Aufwand in die mechanische Konstruktion gesteckt. Im Inneren hat Zeiss Visufit 1000 einen robusten Rahmen, auf dem die Kameras hochfest verbaut sind. Erst die Stabilität eröffnet uns in der Software die technischen Möglichkeiten, den Avatar so detailliert hinzubekommen.“
Visufit 1000 ist Zentriergerät und Digitalisierungsplattform und als solche die Basis für das Virtual Try-on und die Erstellung eines Avatars „Zeiss like“, wie es Silvio Trüssel, Produktmarketing Manager VTS (Vision Technology Solution) und Verantwortlicher für Virtual Try-on im DACH-Markt nennt (siehe Interview).
Grundsätzlich spiele die Beleuchtung und damit die hohe Bildschärfe eine Rolle, zudem müssten die präzisen Messungen replizierbar sein und in Serie funktionieren. „Wir benötigen genaue Messwerte,“ so Schwarz, „damit zum Beispiel die virtuelle Zentrierung unserem Qualitätsanspruch gerecht wird. Aber auch, damit sich Verbraucherinnen und Verbraucher wohl fühlen, wenn sie den eigenen Avatar sehen und die detaillierten Fassungen virtuell aufsetzen.“
Online-Verkauf ist nicht der Punkt
Bei Virtual Try-on und selbst beim Zwilling mit dem Anhängsel @Home geht es weniger um dem Online-Verkauf, sondern darum, mit dem Avatar messtechnische Zwecke perfekt auszuführen und dem Verbraucher die Möglichkeit zu bieten, im Geschäft Brillenfassungen digital ausprobieren zu können, auch jene, die der Augenoptiker gerade nicht im Lager oder nie an der Brillenwand zur Auswahl hat.
Augenoptiker*innen erstellen im Geschäft am Anfang der Customer Journey ein präzises dreidimensionales Abbild vom Kopf des Kunden. Die Zentrierparameter werden gemessen und initial im System erfasst, sodass spätere Zentrierungen virtuell anhand des Avatars erfolgen können. Erst danach kann der Avatar vom Kunden „mit nach Hause“ genommen werden, um die Brillenanprobe dort oder unterwegs fortzusetzen oder sich – noch besser – weitere Fassungen auszusuchen und gleich direkt zu bestellen.
Alle Daten in der Cloud
Damit die Kunden so richtig auf den Geschmack kommen oder sich auch Merkmale von Brillengläsern wie spezielle Tönungen oder Verspiegelungen anzeigen lassen können, werden der Avatar und die bereits im Geschäft favorisierten Fassungen verschlüsselt und sicher in eine Cloud von Zeiss geladen. Daheim loggt sich der echte Kunde mittels seines persönlichen Accounts ortsunabhängig in die Web-App ein und hat fortan Zugriff auf den eigenen Avatar, den ausgesuchten Fassungsfavoriten und natürlich auf den vollständigen digitalen Fassungskatalog des Augenoptikers, dem er oder sie schließlich treu bleiben soll.
Auf diesem Weg sind Neubestellungen erdenklich einfach, denn die maßgenauen Avatare und deren hinterlegten Refraktionswerte liegen für eine exakte Fertigung der Brille vor. Und da der Augenoptiker bei einer Bestellung sofort benachrichtigt wird, kann er auch in die Brillenglaswahl noch einmal entscheidend eingreifen, ehe die Brille kurze Zeit später von Zeiss gefertigt in den Betrieb geliefert wird, wo der Kunde sie auf unserem Planeten bei einem echten Augenoptiker in garantiert freundlicher Atmosphäre abholen kann.
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Interview mit Silvio Trüssel
„Den Scan der Brillenfassungen dürfen wir als Goldstandard bezeichnen“
Silvio Trüssel kennt die Augenoptik seit zwölf Jahren und ist als gebürtiger Schweizer längst auf der Ostalb heimisch geworden. Bei Carl Zeiss Vision ist er Produktmarketing-Manager VTS (Vision Technology Solution) und Verantwortlicher für Zeiss Virtual Try-on im DACH-Markt. Mit dem Schwerpunkt Verkauf arbeitete er in der Schweiz bei einem renommierten Mittelständler, anschließend wechselte er in den Fassungsvertrieb und dann zunächst in den Technischen Vertrieb zu Zeiss. Virtual Try-on ist sein Baby, das er in den kommenden Jahren etablieren möchte.
Herr Trüssel, virtuelle Brillen-Anproben gibt es mittlerweile einige. Was macht das von Ihnen erwähnte „Zeiss like“ aus?
Silvio Trüssel: Zum einen die Aufnahme bzw. die Erstellung des Avatars, wozu wir den Zeiss Visufit 1000 mit seinen neun Kameras verwenden. Die neun gleichzeitigen Aufnahmen sind die Basis von allem, was danach kommt. Zudem dürfen wir den Scan der Brillenfassungen wirklich als Goldstandard bezeichnen. Diese Maßhaltigkeit von Avatar und Fassung ist extrem wichtig, weil die Brille eben nicht haptisch aufgesetzt und nicht vorab angepasst werden kann. Der Verbraucher sieht direkt, wie die Brille im Gesicht real aussieht und vor allem, wie sie sitzt. Kein anderes Digital-Angebot bietet diesen Grad an Maßhaltigkeit.
Auf welche Fassungsauswahl kann ein Augenoptiker zurückgreifen bzw. welche Kollektionen nutzen?
Das digitale Fassungslager wird laufend gepflegt, wir bieten über die Plattform bereits weit mehr als einhundert Marken an, Tendenz ständig und recht schnell steigend. Mittlerweile brauchen wir bei den Fassungsherstellern kaum mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, dass sie die Kollektionen durch uns scannen lassen. Es gibt eine Datenbank, aus der sich der jeweilige Augenoptiker sein eigenes Portfolio zusammenstellen kann. Je nachdem, welche Fassungen er zur Auswahl anbieten möchte bzw. mit welchen Herstellern er zusammenarbeitet. Es kommt bereits vor, dass er digital Fassungen anbieten kann, die er nicht bei sich im Geschäft ausliegen hat.
Ist es richtig, dass die Fassungsauswahl bei der Anprobe im Vordergrund steht und die Brillenglas-Beratung nachgelagert ist?
Virtual Try-on soll ja den Verkauf nicht primär auslagern, sondern vielmehr die Brillenberatung auch im Geschäft digitalisieren und komfortabler werden lassen. Der Brillenkauf soll nach wie vor direkt im Geschäft abgeschlossen werden. So kann die Glasberatung, was Beschichtung und Tönungen anbelangt, bequem über Virtual Try-on gemacht werden. Die Beratung zu Glastyp und Design läuft aber außerhalb davon.
VTO@Home bietet nachgelagert verschiedene Möglichkeiten, um eine zweite oder dritte Brille zu verkaufen und dient dazu, den Wiederkaufs-Zyklus zu verkürzen. Es bietet nicht zuletzt einfach noch besseren Service für die Kundschaft und dient der Kundenbindung, die Beratung verlängert sich nach Hause und wir möchten mit dem Tool unsere Partner stärken, damit sie auf ganzer Ebene performen können.
Virtual Try-on ist also kein Vertriebskanal, sondern eher ein Werkzeug der Digitalisierung, das dem Augenoptiker im Geschäft dient?
Und das auf die heutigen Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher abzielt. Wir bieten das Beste aus zwei Welten: Der Verbraucher kann sich zu Hause Lust auf etwas Neues holen, der Augenoptiker schließt das Geschäft ab.
Wo aber beginnt die berüchtigte Customer Journey? Anders gefragt: Wie holen wir die Kunden und Kundinnen ab?
Die Reise für den Verbraucher beginnt und endet immer beim Augenoptiker. Dort holt er sich seinen Avatar und auch seine neue, mitunter online bestellte Brille ab. Die Avatare werden lokal beim Augenoptiker auf dessen Server gespeichert, er verwaltet sie und kann seinem Kunden auch Vorschläge und weitergehende Informationen zusenden.
Trotzdem: Diese Technologie funktioniert vermutlich in naher Zukunft – wenn nicht schon heute – auch ohne Augenoptiker*innen.
Für uns steht an erster Stelle die Partnerschaft zu unseren Kunden. Virtual Try-on und Virtual Try-on@Home sind Werkzeuge, um unsere Kunden noch erfolgreicher zu machen, auch im Omnichannel-Bereich. Die Augenoptiker und Zeiss verbindet ein hoher Qualitätsanspruch, der damit einhergeht, dass der Brillenkauf über den und beim Augenoptiker erfolgt.
Die Landkarte der Zeiss-Partner mit Virtual Try-On bietet noch freie Flächen. Ist das ein Zeichen für die schleppende Digitalisierung der Branche oder braucht es doch noch Überzeugungsarbeit?
Wir haben 2020 die erste Version präsentiert und das Thema VTO@Home war sogar noch nachgelagert. Die Tendenz ist eindeutig und steigend, nach den early adopters müssen wir jetzt die breite Masse überzeugen – und das geschieht am einfachsten dadurch, dass wir das Angebot bekannter machen. Zu diesem Angebot gehört auch ein Marketingpaket, denn auch der Augenoptiker muss seine Leistung kommunizieren, wie erwähnt, bei ihm beginnt alles und endet alles. Unser Ziel ist es, dass ein Verbraucher überall in Deutschland binnen 20 Minuten einen Augenoptiker erreichen kann, der einen Avatar für und mit ihm erstellt.