In den vergangenen Jahren regte die Stilkritik von Petra Waldminghaus immer mal wieder zu Diskussionen an, so wie das eben ist, wenn es um Stil geht. Jetzt hat sie sich für eyebizz etwas Neues überlegt und wird in jeder Ausgabe die Brillen, besser gesagt die Fassungs-Beratung in der Augenoptik aufs Korn nehmen.
Neue eyebizz-Rubrik „Ist das noch zeitgemäß?“
Vermutlich wird auch das hin und wieder andere Meinungen hervorrufen, aber das gehört sich ja auch so, wenn eine oder einer mutig voranschreitet. Die neue Rubrik „Ist das noch zeitgemäß?“ geht zum Start der Frage nach: „Was haben Sie sich denn vorgestellt?“.
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Was Petra Waldminghaus sich mit der neuen Rubrik vorstellt, aus welchem Blickwinkel sie die Fassungs-Beratung betrachtet und wie sich diese mitsamt der Brillenmode in den vergangenen 20 Jahren entwickelt hat, erklärt die Geschäftsführerin von CorporateColor im eyebizz-Interview.
„Wenige Fachleute haben erkannt, dass es sinnvoll ist, Stil-Beratung zu erlernen.“
eyebizz: Frau Waldminghaus, die eyebizz wird zwanzig Jahre jung und ist quasi mit dem Wegfall der „Kassenbrille“ geboren worden. Warum ist es zwei Jahrzehnte später Ihrer Meinung nach notwendig, die Brillenfassungs-Beratung unter die Lupe zu nehmen ?
Petra Waldminghaus: Weil sich die Einstellung vieler Augenoptiker nicht mit der durch den Wegfall der Kassenbrille neu entwickelten Brillenmode geändert hat. Vor allem beim Thema Farbe gibt es Defizite, Stichwort „vier Jahreszeiten“. Wenige Fachleute haben erkannt, dass es sinnvoll ist, Stil-Beratung zu erlernen.
Warum nicht, ist das zu aufwändig?
Im Gegenteil. Die Grundlagen zur Brillen-Beratung lassen sich an einem Tag lernen und sollten dann in einem Coaching am „echten Kunden“ verfestigt werden. Also sollte man vielleicht einen zweiten Tag einplanen, es braucht ja auch ein bisschen Sicherheit, dass es klappt.
Wie hat sich denn für Sie als Stil-Beraterin die Brillenmode in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt?
Insbesondere die Auswahl ist immens gewachsen, es gibt ein Vielfaches an Materialien und Farben. Vielleicht liegt das auch ein bisschen daran, dass heute mehr Frauen in Führungs-Positionen in der Branche zu finden sind, auch wenn natürlich auch die Männer diesbezüglich aufgeschlossener sind als früher.
Die Brille ist doch eines der wichtigsten Accessoires, um Persönlichkeit sichtbar zu machen.
Trotzdem ist die Augenoptik eine Branche, die sich stark über die Technik entwickelt, weniger an Beratungs-Skills orientiert. Dabei ist die Brille doch eines der wichtigsten Accessoires, um Persönlichkeit sichtbar zu machen. Durch die Brille wird manche Kleidung erst sichtbar, manchmal erst tragbar.
Als Stilberaterin dürfte Ihnen vor allem die Persönlichkeit am Herzen liegen?
Ja, genau die habe ich im Blick, aber Persönlichkeit ist nur ganzheitlich zu betrachten; die Brille ist nur ein kleiner Teil davon, aber ein wichtiger. Und einer, den ich besonders gerne mag. Ich liebe die Augenoptik, ich wünsche mir nur, dass der Verbraucher eine gute Beratung bekommt.
Ein Wunsch, mit dem Sie sich in unserer Branche nicht nur Freunde machen, denn die Beratungsleistung gehört ja schließlich zum A und O der Augenoptik.
Ja, aber pauschal gesehen sind Augenoptiker zu bequem, sie schauen zu wenig nach rechts und links. Mein Job ist ohnehin mit einem schlechten Image behaftet. Image-Beratung kann jeder machen, das ist nicht mal geschützt. Aber gerade bei Farbe und Stil ist die Augenoptik zu selbstsicher, jeder denkt, er kann das, doch viel zu oft entscheidet das Bauchgefühl, welche Brillenfassung der Kundschaft vorgelegt wird.
Also ist das für Sie kein Mangel in der Argumentation, sondern des Know-hows?
Der Fehler ist, dass der eigene Geschmack als Basis für ein Urteil genommen wird. „Die Brille steht Ihnen gut.“ Aber warum? „Die Farbe gefällt mir nicht bei Ihnen.“ Warum nicht? Die entscheidende Frage ist, wie der Brillenträger mit der Fassung wirken möchte!
Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt und sich weiterbildet, dann steht danach die Argumentation und dann kann man die Kundschaft aktiv in den Auswahlprozess mitnehmen. Dann traut man sich auch, die Frage nach der Wirkung zu stellen, weil man sie mit einer passenden Brillenfassungs-Auswahl beantworten kann.
Worum geht es Ihnen konkret in der Rubrik „Ist das noch zeitgemäß?“ ab der eyebizz-Ausgabe 1.2024?
Ich möchte Praxistipps geben, andere Aspekte aufzeigen, Einblicke in die Stil-Beratung geben. Mindestens das sollte besser in der Ausbildung vermittelt werden. Grundsätzlich möchte ich, dass die Leser den Blick auf sich selbst lenken, dass ich sie zum Ausprobieren animieren kann.
Was ist an dem Satz „Was haben Sie sich vorgestellt?“ so furchtbar?
Alleine schon, dass dadurch die Verantwortung dem Kunden zugeschoben wird, das ist ärgerlich. Ich weiß, niemand meint das böse, man hat das einfach immer schon gefragt, aber es ist eben nicht zielführend.
Aber der Kunde von heute ist doch mündiger im Gegensatz zu früher.
Ja, vielleicht. Aber für die Augenoptik betrachtet sind die Leute nur deswegen gut oder besser informiert, weil sie wissen, dass genau diese beschriebene Frage kommt. Ehrlich, ich selbst habe Schwierigkeiten, die passende Brillenfassung für mich zu finden. Mein enger Augenabstand und das dazu breite Untergesicht machen die Auswahl nicht gerade leicht. Es gibt so viele Gesichter, die aus der Norm fallen, aber für die es mit konkretem Wissen eine gute Lösung gibt – das erschließt neue Zielgruppen.
Dann gehen wir das an. Schlussfrage: Was bleibt bei Ihnen selbst hängen von der Stilkritik, die bislang das Heft am Ende zierte?
Die vielen Rückmeldungen, das komplette Feedback der Leserinnen und Leser. Und auch Herbert Grönemeyer, der die eyebizz und die Stilkritik bis in die NDR-Talkshow getragen hat.