„Sei du selbst, die anderen gibt es schon“, lautet der Business-Tipp von Augenoptikermeister Stefan Hies und seiner Frau Petra aus dem südhessischen Taunusstein. Wie man in der Augenoptik sein eigenes Profil schärft, zeigen beide gekonnt: Auf der Fashion Week in Berlin präsentierten sie ihre neue Brillenkollektion bei der Schau der preisgekrönten Modedesignerin Anja Gockel. Und das bereits zum vierten Mal. eyebizz war dabei und guckte hinter die Kulissen.
Im Foyer des glamourösen Hotels Adlon am Brandenburger Tor beginnt die Hektik, Stuhlreihen werden mit Willkommens-Tüten bestückt, Kameraleute tauchen auf, und 17 junge Frauen, noch in Alltagskleidung, doch jetzt schon auffallend gutaussehend, bekommen letzte Anweisungen von Anja Gockel, die ihrer Fashionshow entgegenfiebert.
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In zwei Stunden präsentiert die Mainzer Modeschöpferin die brandneuen Modelle ihrer Winterkollektion 2019/20. Hoch ist der Adrenalinspiegel auch bei Stefan und Petra Hies. 51 Outfits sind gleich auf dem Laufsteg zu sehen, dabei werden die Models auch zwölf Fassungen aus der neuen Brillenkollektion von Stefan Hies tragen.
Eine gemeinsame Sprache
Aufgeregt? „Es ist eher freudige Erwartung, die unsere Stimmung beschreibt“, sagen beide. „Ein bisschen Zeit haben wir noch, bevor es für uns losgeht.“ Stefan Hies und seine Frau, die aus der Schmuckbranche kommt, leiten seit 2005 zwei augenoptische Fachgeschäfte im kleinen Taunusstein in Südhessen (30.000 Einwohner).
Um über ein nicht kopierbares Alleinstellungsmerkmal zu verfügen, begann Augenoptiker Hies eigene Brillenfassungen zu entwerfen. Aus Baumwollacetat, Naturhorn, Titan, mal mit Gold, mal mit Silber, auch farbenfroh. Gefertigt nach Maß in London. „Nichts ist aufregender als der Moment, wenn aus dem Entwurf dann eine dreidimensionale Fassung geworden ist, die sich anfassen lässt“, schwärmt Stefan Hies.
„Wenn wir nur ausgetretene Wege gehen, werden wir keine neuen Kunden gewinnen.“
Das Ehepaar Hies kannte Anja Gockel zunächst von Interviews im Radio. Bei einer Ausstellung über Schuhmode in Mainz, wo auch Kreationen der Modeschöpferin gezeigt wurden, nahm man Kontakt auf und hatte gleich schon selbst entworfene Brillen mit dabei. Das war vor drei Jahren, die Zusammenarbeit begann.
„Anja Gockels Entwürfe sind immer perfekt im Schnitt, modisch, und doch alltagstauglich, genau wie unsere Brillen“, sagt Petra Hies. Ihr Mann ergänzt: „Wir sprechen eine gemeinsame Sprache.“ Und erzählt von der Zusammenarbeit: „Brillenkollektion und Modekollektion wurden unabhängig voneinander entwickelt, erst heute auf dem Laufsteg werden sie zusammengeführt.“
Leichtigkeit und Offenheit
Anja Gockel entscheidet dabei nicht allein, verrät er. Bis zu fünf Personen überlegen gemeinsam, welche Brille zu welchem Outfit am besten passt. Einmal kann die Farbe der Handtasche das ausschlaggebende Kriterium sein, das andere Mal das Gesicht des Models oder eben der Stoff. Und welches Motto würde Stefan Hies seiner neuen Brillenkollektion geben. Er überlegt sehr genau, ehe er sagt: „Leichtigkeit und Offenheit.“
Für das Ehepaar Hies ist die Berliner Fashion Week immer noch aufregend, obwohl es schon das vierte Mal ist, dass im Adlon ihre Brillenkreationen gezeigt werden. „Wir wussten vorher nicht, wie viele Menschen an so einer Modenschau beteiligt sind. Die Schnelligkeit, mit der hier gearbeitet wird, wie ein Rädchen ins andere greift. So nah dran zu sein, ist immer noch Ereignis. Und manche Models sind richtig hochkarätig, waren etwa bei Heidi Klum in ihrer Sendung.“
Doch jetzt müssen sich Stefan und Petra Hies fürs erste verabschieden, ankommende Gäste müssen begrüßt werden. Im Foyer drängeln sich schon die Besucher, viele kennen sich von anderen Modeschauen, fast jeder ist herausgeputzt, sogar die meisten Journalisten. Und der ausgeschenkte Sekt stimmt euphorisch. Die Zuschauerreihen füllen sich, ein Pulk an Kameraleuten versammelt sich am Ende des Laufstegs. Ganz vorne rechts und links nimmt erste Prominenz Platz, Patrica Riekel, die Ex-Chefin der „Bunte“, z. B. oder Sternchen Fiona Erdmann, die man irgendwie vom Fernsehen kennt.
Anja Gockel gibt letzte Interviews, auch uns von eyebizz. „Ich fand die Brillen von Stefan einfach sehr besonders“, lobt sie, „selbst kreiert und individuell, und nicht in so großer Stückzahl. Das passt sehr gut zu meinem Gedanken von Manufaktur.“ Die Modedesignerin des Jahres 2017 ist bodenständig und ohne Allüren. „Ich bin gerade 50 geworden, Stefan hat mich getestet, ich habe noch eine 100 prozentige Sehfähigkeit, die Alterssichtigkeit steht mir also noch bevor, dann werde ich auch deswegen zu ihm kommen.“ Auf die Frage, welche Sonnenbrillen sie am liebsten mag, kommt die Antwort schnell: „Bloß nicht ganz normal, sondern besonders.“
Den Göttinnen geweiht
Eine Viertelstunde später geht’s schon los. Anja Gockel stellt das Motto ihrer Winterkollektion persönlich vor: „Théa“ – die Göttin – und appelliert an die modebewusste Frau: „Stellt Eure Weiblichkeit in den Mittelpunkt und findet Euer Gleichgewicht. Seid authentisch und mutig.“ Dann marschieren die Models los.
Bei den gezeigten Entwürfen kombiniert Gockel Glitzer-Miniröcke zu lässigen Pullovern und einen Tweed-Mantel zum Federrock. Zu sehen sind viele gedeckte Grün- und Beerentöne, Roben, XXL-Schnitte, fließende Formen, Glitzer und Kaschmir und als echte Eyecatcher immer wieder Brillenfassungen „designed by Hies“ – mal in XXL-Form, mal farblich akzentuiert, mal glitzernd. Gockel lässt auch Frauen laufen, die keine Profi-Models sind, etwa eine Klempnerin und eine Olympionikin. Am Ende dann tosender Applaus und eine sehr glücklich aussehende Designerin im Kreis ihrer Models.
Optik Hies: Berlin nach Taunusstein bringen
Auch Stefan und Petra Hies strahlen. „Wir nehmen diese Euphorie mit, das Feuer, das brennt. Wir lassen es weiterbrennen, wenn wir wieder zuhause sind“, ist ihr Fazit. Stefan Hies: „Wir holen Berlin dann gedanklich nach Taunusstein. Durch das, was wir da mitbringen an Eindrücken aus der Großstadt, werten wir auch Taunusstein auf. Kunden fragen uns auch: Wie war es in Berlin?“
Die Impulse für das eigene Geschäft sind nicht zu unterschätzen, sagen beide. „Wenn wir nur ausgetretene Wege gehen, werden wir keine neuen Kunden gewinnen“, sagte Petra Hies. Und sie hat schon wieder Ideen. Sie hat auf der Modenschau Kontakt mit der Ledermanufaktur Braun Büffel aufgenommen, deren Taschen von den Models getragen werden. „Auch hier kann ich mir Kooperationen vorstellen. Mal schauen.“