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Naturhornbrillen

Vom Büffelhorn zur Brille in 80 Schritten

Auf der opti brach Eric Lauer in seinem Vortrag eine Lanze für Brillen aus Naturhorn. Besonders der indische Flussbüffel hat es dem Brillenmacher aus Frankfurt am Main angetan. Fachmännisch erzählte er über die Kunst, Naturhorn zu verarbeiten. Jürgen Bräunlein schrieb für eyebizz mit und fragte auch andere Hersteller von Hornbrillen. Denn zu reden ist über einen Nischenmarkt mit Zukunft.

eyebizz: Hornbrillen - Hornplatten
Foto: Hoffmann Natural Eyewear

 

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Als ausgewiesener Experte kann es sich Eric Lauer leisten, philosophisch zu werden. „Der Büffel ist tot, doch als Hornbrille lebt er weiter“, verkündete er. Das kann melancholisch stimmen. Lauer sieht es pragmatisch: 95 Prozent aller Büffelhornfassungen schrumpfen mit den Jahren, was mit dem Schweiß des Trägers zu tun hat. Zwei Prozent wachsen, nur drei Prozent verändern sich gar nicht.

Horn ist eines der ältesten Materialien für Brillenfassungen überhaupt. Ob vom Büffel, Rind oder Hirsch, Hornbrillen sind nicht nur Unikate, sie entwickeln ihre eigene Patina und werden mit den Jahren immer schöner. Da können Kunststoffbrillen, die dann eher alt und abgetragen erscheinen, nicht mithalten. Begehrt wird Horn auch von der Knopfindustrie. Aus einem mittelgroßen Büffelhorn lassen sich mehrere Hundert Knöpfe herstellen oder alternativ eben: eine einzige Brille. Die Verglasung stellt heute auch kein wirkliches Problem mehr dar. Hornfassungen werden in der Regel wie Metallfassungen verglast – häufig mit einer Art Schließblock.

Das Horn und der Memory-Effekt

Dass sich Hornbrillen beim längeren Tragen leicht verformen können, ist keine Katastrophe. Schließlich gibt es den Memory-Effekt. Sowohl geschrumpfte als auch gewachsene Büffelhornfassungen nehmen, wenn man sie „mehrfach ordentlich gleichmäßig erwärmt“ (Lauer), wieder ihre ursprüngliche Größe an. Für Augenoptiker heißt das: Vorsicht bei der Wiederverglasung getragener Büffelhornfassungen. Vor dem Tracern müssen sie unbedingt ordnungsgemäß erwärmt werden, sonst besteht die Gefahr, dass die Gläser später aus der Fassung fallen.

eyebizz: Hornbrillen von Eric Lauer
Büffelhornbrille aus der Brillenmanufaktur Eric Lauer

Handelsübliche Ventiletten können allerdings keine gleichmäßige Erwärmung im Stegbereich erzeugen, hier ist die Wärmezufuhr auch zu gering. Lauer schlägt stattdessen die Verwendung eines handelsüblichen Heißluftföhns aus dem Baumarkt vor (Stufe 1: 300° Grad, ca. 30 mm großer Luftauslass). Die Bügel sollten allerdings ausschließlich über die Außenkurve erwärmt werden. Lässt sich beim Kunststoff die Restwärme zu kleinen Nachbiegungen nutzen, geht das beim Büffelhorn nicht: Vorsicht, Bruchgefahr!

Aufgebogene Hornplatten aus Indien

Früher wurden noch ganze Hörner aus Indien oder Afrika zu den Brillenmachern nach Europa verschifft, was umständlich und aufwendig war. Joseph Hoffmann, Gründungsvater von Hoffmann Natural Eyewear, wo man seit 1978 Hand-Made-Hornbrillen produziert, hat schon in den 80er Jahren ein effizienteres Verfahren entdeckt: „Die Büffelhörner werden in Indien vor Ort aufgebogen und zu Hornplatten verarbeitet, die dann komplett roh und unbearbeitet hier bei uns in der Eifel ankommen“, erzählt Wolfgang Thelen, der heutige Geschäftsführer. „Vom Wasserbüffelhorn zur Brille sind insgesamt rund 80 Einzelschritte notwendig. Der erste Arbeitsschritt besteht darin, die Platten von ca. 5 mm auf ca. 1 mm hinunterzuschleifen. Da erst zeigt sich, welche Farbnuance jede einzelne Platte hervorbringt.“

eyebizz: Hornbrillen in Handarbeit
Foto: Hoffmann Natural Eyewear

Kombinationsfassungen mit Titan

 

Kaum ein Hornbrillenhersteller kommt ohne klassisch geformte Fassungen aus. „Das bewährte Modell in Pantoform aus Büffelhorn in sanften Farbnuancen und mit Schlüssellochsteg darf zum Beispiel zu keiner Zeit in unserer Kollektion fehlen“, sagt Thelen. Das Image des seriösen, allseits traditionsbewussten oder gar biederen Hornbrillenträgers steckt zwar noch in manchen Köpfen, ist aber weitgehend überholt. Mittlerweile begeistern sich auch junge Individualisten dafür. Bei Hoffmann Natural Eyewear werden in einer aktuellen Serie Horn und Holz mit Titan kombiniert. „Unsere „Ti-line“ kommt dem aktuellen Trend nach sichtbarer Leichtigkeit, cleanem Design und kontrastreichem Materialmix entgegen“, so Thelen.

eyebizz: Hornbrillen von Hoffmann Eyewear - Modell T8001 H40
Hornbrille von Hoffmann Natural Eyewear

Freddie Wood Naturhornfassungen offeriert ebenfalls Kombinationsfassungen mit Titan oder auch farbigen Holzapplikationen. „Damit sprechen wir auch eine jüngere Klientel an“, sagt Peter Biller von Freddie Wood. „Es sind Konsumenten, die den Schritt von einer hochpreisigen Designer-Metall- oder Kunststofffassung leichter zu einer Fassung aus edlem, natürlichem Rohstoff machen, wenn die Brillen ihren Vorstellungen von Trend und Zeitgeist entsprechen.“ Biller, der bereits Ende der 70er Jahre mit Büffelhorn in Berührung gekommen ist, schwärmt: „Von Anfang begeisterte mich nicht nur die wirklich unvergleichliche Haptik solcher Fassungen, sondern nicht zuletzt das Geräusch, das Hornbügel beim Zusammenklappen machen … Dieser Klack ist einmalig.“ Freddie Wood ist im asiatischen Raum so erfolgreich, dass man 2014 in Peking in exponierter Lage einen Flagship Store eröffnet hat.

Ein Drittel leichter als Acetatbrillen

Hornbrillen sind allergiefrei, sofern es sich um ungeschichtetes, massives Horn handelt und keine chemischen Zusätze verwendet wurden. In Zeiten, wo individuelle Unverträglichkeiten zunehmen, ist das ein gutes Verkaufsargument. Zudem wirken Hornbrillen schwerer als sie in Wahrheit sind, im Schnitt wiegen sie ein Drittel weniger als eine Acetatbrille, so Eric Lauer. Auch in punkto Nachhaltigkeit schneiden Hornbrillen gut ab. Das Material ist hochwertig bis edel, ist aber ein Nebenprodukt aus der Tierzucht. „Da ich persönlich auch im Tierschutz engagiert bin, ist mir der Hinweis, dass kein einziges Tier sein Leben wegen seiner Hörner verliert, sehr wichtig“, sagt Peter Biller und fügt hinzu: „Man kann sagen, wir verwerten ein Abfallprodukt.“

Hornbrillen, so scheint es, ist etwas für anspruchsvolle Individualisten, die allerdings auch finanzielle Spielräume haben. Ab 600 Euro ist man dabei, kann aber auch das Dreifache ausgeben. „Theoretisch könnte jemand mit seinem Hirschgeweih vorbeikommen und sich bei uns eine Fassung daraus machen lassen“, sagt Wolfgang Thelen von Hoffmann Natural Eyewear, und so ähnliche Aufträge hatte man auch schon. Heiner Schwär aus Freiburg, der sich neben Hornbrillen auf Lupenbrillen und die Anpassung von Sauerstoffbrillen spezialisiert hat, sagt über seine Kunden: „Es sind starke Persönlichkeiten, selbstsichere und oft sehr disziplinierte Menschen, kreativ und haptisch orientiert und gleichzeitig mit der Gabe ausgestattet, die Disziplin über Bord zu schmeißen und sich dem Genuss hinzugeben.“

eyebizz: Hornbrillen - Heiner Schwär
Foto: Schwär

Betriebswirtschaftlich empfehlenswert

Bei der individuellen Herstellung und Anpassung geht Schwär selbst ungern Kompromisse ein. Wird die Passgenauigkeit der Nasenauflage erreicht? Passt der gewählte Scharniertyp zur Statik der Brille? Besitze ich ausreichend große Hornstücke, um z.B. besonders lange Bügel zu fertigen? Findet sich im Lager ein Stück massives Horn, farblich passend, das keine Einschlüsse oder Hohlräume aufweist?

Alle diese Fragen müssen zufriedenstellend beantwortet sein, damit eine Büffelhornbrille gelingen kann. „Manchmal“, so erzählt Schwär, „ist der Wunsch, eine Brille aus Naturhorn zu besitzen, nicht vereinbar mit den Alltagsgewohnheiten eines Menschen, oder die Konfrontation mit dem Material Naturhorn fällt enttäuschend aus.“ Doch sei das weder schlimm noch tragisch, gemeinsam mit dem Kunden werde dann eben eine Alternative aus den vorhandenen Angebot an Brillenlabels gesucht.

Klappt es hingegen mit der Hornbrille, können Augenoptiker auf eine besonders enge Kundenbindung hoffen. Aufgrund des schon erwähnten Memory-Effektes des Büffelhorns wird die neu angepasste Brillenfassung nach ein paar Wochen anfangen zu rutschen. Deshalb kommt der darüber informierte Kunde automatisch wieder ins Geschäft. Ein Vorteil dieser Klientel ist es zudem, dass wer sich eine individuell angefertigte Hornbrille leistet, auch bei den Gläsern nicht sparen wird. Eric Lauer zieht deshalb das freudige Fazit: „Betriebswirtschaftlich spricht nichts gegen eine Büffelhornbrille, eher gegen günstige Brillen.“

||| JUEB

 

 

Anbieter von Naturhornbrillen (Auswahl):

Eric Lauer, Brillenmanufaktur: www.brillenmanufaktur.de

Hoffmann Natural eyewear: www.natural-eyewear.com

Freddie Wood: www.freddiewood-international.de

Heiner Schwär: www.horn-art.de

 

eyebizz hat außerdem zu diesem Thema ein Interview geführt mit Wolfgang Thelen, Geschäftsführer IVKO GmbH und Hoffmann Natural Eyewear.

 

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