Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland Waren im Wert von über 4 Milliarden Euro gestohlen. Mit 380.000 angezeigten Fällen wurde bei Ladendiebstahl ein neues Hoch erreicht und die Zahlen steigen weiter. Wie sind Diebstähle im augenoptischen Fachgeschäft zu vermeiden? Zum einen gehört dazu, dass die Mitarbeiter geschult werden, zum anderen ist auch die Installation einer Anlage zur Warensicherung eine gute Ergänzung, um Inventurverluste gering zu halten. Welche Technik ist am besten?
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Elektronische Artikelsicherung (EAS)
Übersetzt bedeutet das: „Electronic Article Surveillance“. Auf dem Markt haben sich dazu unterschiedliche Systeme zur Warensicherung etabliert, die nach verschiedenen technischen Verfahren arbeiten. Das Funktionsprinzip ist im Grundsatz bei allen gleich. Die Artikel werden durch Spezialetiketten gesichert. Diese Etiketten können durch berechtigtes Personal entfernt bzw. deaktiviert werden. Sobald ein Kunde versucht, mit unbezahlter Ware den Laden zu verlassen, wird ein Alarm ausgelöst.
Die Empfangs- bzw. Detektionseinrichtungen sind je nach verwendeter Technik als Schleusensystem mit seitlich angeordneten Detektionsantennen, als Bodensysteme, als Überkopfsysteme oder als integrierte Systeme, z.B. in Schaufensterpuppen, anzutreffen. Als Sicherungsetiketten kommen je nach verwendeter Grundtechnik Hart-, Klebe- und Softetiketten in Betracht. Diese werden mit einem speziellen Verschluss und Spezialnadeln an der Ware befestigt.
Das gefahrlose und beschädigungsfreie Entfernen der Sicherungsetiketten vom Produkt ist nur mit speziellem Gerät, z.B. mit Spezialmagneten, mechanischen, pneumatischen oder elektronischen Lösezangen möglich. Die Sicherungsetiketten werden dann durch berechtigtes Personal entfernt bzw. deaktiviert. Dazu gibt es verschiedenartige Möglichkeiten, entweder sind diese direkt in oder an der Kasse eingebaut oder man entfernt die Sicherungsetiketten mit einem Handgerät. Es gibt drei unterschiedlichen Basistechnologien für EAS.
Alle Systeme bestehen in der Regel aus Sicherungsetiketten, die an den Artikeln befestigt werden und aus Empfangseinrichtungen (Schleusen), die an Ein- und Ausgängen bzw. Abteilungsgrenzen angeordnet sind.
Es gibt verschiedenartige Sicherungsetiketten, vom einfachen Klebeetikett, bis hin zum auffälligeren Etikett zum Sichern von Sportschuhen, Sporttaschen oder Textilien. Auch künftig ist davon auszugehen, dass alle drei Technologien zur Warensicherung nebeneinander angeboten werden.
Radio-Frequenz-Technik (RF)
Bei der Radio-Frequenz-Technik wird durch Sende- und Empfangstechnik ein räumlich begrenztes Radiofrequenzfeld erzeugt. Für die Detektion – die Auslösung des Alarms – kommen Ein- oder Mehrantennensysteme in Frage.
Beim Einantennensystem sind Sender und Empfänger kombiniert untergebracht. Damit lassen sich bei Mittelstellung der Antenne Ausgänge in Abhängigkeit der eingesetzten Etiketten bis zu einer Durchgangsbreite von 2,40 m absichern.
Aus technischen Gründen ist eine Aneinanderreihung des Einantennensystems nicht möglich, so dass bei größeren Durchgangsbreiten getrennte Sende- und Empfangsantennen montiert werden müssen. Hier lassen sich Ausgänge von zehn und mehr Metern mit vielen Antennen überwachen. Für die Warensicherung kommen alle gängigen Etikettenarten wie Hart-, Soft- und Papieretiketten in Frage.
Die Detektion lässt sich weder durch Körperabschirmung noch durch dicke Taschen vermeiden. Metallische Waren lassen sich nicht absichern, da hier die Radiowellen eliminiert werden. Die RF-Technik hat eine durchschnittliche Detektionsrate, das heißt eine gute Auslösequalität, und ist universell einsetzbar.
Elektromagnetische Technik (EM)
Sie basiert auf dem Metalldetektionsprinzip. Ein ausgewähltes Metall sowie eine spezielle Codierung werden von der Elektronik erkannt und lösen einen Alarm aus. Der Nachteil ist die geringe Durchgangsbreite des Antennensystems von 0,8 bis 1 Meter. Fluchtverordnungen schreiben heute Durchgangsbreiten von zwei Metern vor.
Bei einem Einsatz von drei Antennen kann die Durchgangsbreite auf max. zwei Meter ausgedehnt werden. Als Sicherungselemente kommen Hartetiketten, bevorzugt Papierklebeetiketten, in unterschiedlichsten Formen zum Einsatz. Der Vorteil der EM-Technik liegt in der guten Erkennungs- und Auslösungsqualität sowie der universellen Einsetzbarkeit.
Metallische Gegenstände können bedingt mittels EM-Technik gesichert werden.
Akustomagnetische Technik (AM)
Bei der akustomagnetischen Technologie senden die Antennen im Ausgangsbereich Ultraschall-Schwingungen aus. Die Hart- bzw. Klebeetiketten enthalten zwei dünne Metallplättchen, die von den Antennen in Eigenschwingungen versetzt werden. Das Sicherungssystem erkennt diese Schwingungen des Etiketts innerhalb einer Erfassungsbreite und gibt Alarm.
Die Durchgangsbreite beträgt bei allen bis zu ca. 2,40 Meter mit vertikal installierten Antennen. Eine Aneinanderreihung mehrerer Systeme für beliebig größere Durchgangsbreiten ist möglich. Mit Bodenantennensystemen können unendlich breite Ausgänge abgedeckt werden. Der geringe Installationsaufwand, die gute Auslösequalität sowie relativ kleine bzw. leichte Etiketten sind als Vorteile herauszustellen.
Durch die einzigartige Beschaffenheit der Etiketten ist diese Technologie nahezu fehlerfrei mit hindurch getragenen Waren. Zu beachten ist die Druckempfindlichkeit des Papieretiketts, da das Schwingungsverhalten unter Druck verändert wird. Hierbei ist zu bemerken, dass bei jeder EAS-Technologie ein Klebeetikett einfach mechanisch manipulierbar ist bzw. von der Ware entfernt wird.
Mit den kleinen Klebeetiketten können nahezu alle Warenbereiche gesichert werden. Selbst in metallhaltigen Verpackungen löst diese Technologie einen Alarm im EAS-System aus.
EAS-Systeme in Vergleich
Die Entscheidung für ein bestimmtes System ist abhängig von der Sicherungsaufgabe, der Warengruppe, dem Kosten-/Nutzenaspekt, den betrieblichen und baulichen Gegebenheiten und insbesondere von den technischen Anforderungen, die der Händler an das System stellt.
Folgende Kriterien kommen für die Auswahl eines geeigneten EAS-Systems in Betracht:
Schleusenbreite (Abstand zwischen den Antennen): Die erforderlichen Schleusenbreiten hängen von der Zugangssituation im Ladengeschäft ab.
Detektionsrate (Wahrscheinlichkeit der Erkennung des Signals): Angestrebt wird i.d.R. eine Erkennungsrate von 100%. Die Zuverlässigkeit des Systems hängt oftmals von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Schleusendurchgangsbreite, der Größe der eingesetzten Sicherungselemente etc.
Fehlalarm (ungewollt ausgelöster Alarm durch Umweltstörungen oder durch andere Objekte): Gelegentliche Fehlalarme können zwar dem Kunden die Funktionsfähigkeit des Systems demonstrieren, bei häufigen Auftreten bergen sie aber die Gefahr einer mangelnden Personalakzeptanz. Alarm wird nicht mehr beachtet.
Deaktivierungsdistanz
Vorteilhaft für eine komfortable Deaktivierung ist eine möglichst große Entfernung des Etiketts vom Deaktivator. Hierbei ist allerdings auch zu beachten, dass es nicht zu ungewollten Deaktivierungen kommt, wenn z.B. von einem Dieb gesicherte Teile in eine Großverpackung versteckt werden (z.B. Kleinteile in einem Hohlkörper).
Deaktivierungsquote (Wahrscheinlichkeit der Entschärfung des Etiketts): Eine 100%ige Deaktivierungsquote ist unabdingbar. Nicht entsicherte Produkte und Artikel können ansonsten unberechtigte Alarme in anderen Betrieben auslösen.
Reaktivierbarkeit (Möglichkeit, ein bereits entschärftes Etikett erneut zu aktivieren): Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der gewollten Reaktivierung z.B. einer zurückgebrachten Ware oder der ungewollten Reaktivierung z.B. eines in einem Kleidungsstück eingebrachten Etiketts.
Deaktivatoren befinden sich meist unter dem Kassenband, so dass eine Entwertung eines Etiketts automatisch passiert. Anders ist es bei den Hartetiketten, die meist von Hand gelöst werden und auch wieder einsetzbar sind.
Ansprache von Kunden bei Signalauslösung
Es kommt in einem Geschäft, welches mit einem EAS-System arbeitet, immer wieder einmal vor, dass Alarme im Aus- und Eingangsbereich ausgelöst werden. 95 % dieser Alarme werden durch vergessene oder nicht korrekt entwertete Etiketten ausgelöst. Deshalb ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter an den Kassen sensibel für Alarme sind und auch wissen, wie der alarmauslösende Kunde, der kein Dieb ist, anzusprechen ist.
Der Kunde, der einen Alarm ausgelöst hat, weil er etwas gestohlen hat, wird im Regelfall versuchen, wegzulaufen. Hier gilt immer: Eigensicherung statt Warensicherung. Niemand sollte sich in Gefahr bringen.
Qualität der Warensicherungsanbringung
Wenn sich ein Betrieb für eine Warensicherung entschieden hat, ist ein Konzept nötig, wie Artikel zu sichern sind und Sicherungsetikett beseitigt werden.
Beispiele aus der Praxis:
Klebeetiketten sind besonders gut bei Kartonwaren als Innensicherung zu nutzen, z.B. gut geeignet für hochwertige Brillenetuis oder Pflegeprodukte, die für Kunden frei zugänglich sind.
Auch für Brillen gibt es bereits gute Möglichkeiten zur Warensicherung.
Hans Günter Lemke ist Autor des Fachbuchs „Diebstahlverhütung“ und seit 1998 als selbstständiger Trainer, Buchautor und Handelsberater tätig. Namhafte Unternehmen im Einzelhandel und aus der Industrie zählen zu seinen Kunden. „Erfolgreiche Kundenbindungsmaßnahmen“, „Inventursicherungsmaßnahmen“ und „Umsatzsteigerung mit optimaler Warenpräsentation“ sind die Themen seiner praxisnahen Schulungen. Kontakt: www.lemke-training.de