Gesundheitsrisiko Brille? Eine Studie der Hochschule Furtwangen untersuchte umfassend die Mikroflora von Brillen. Die Ende November veröffentlichten Ergebnisse fanden ein breites Echo in den Medien. Ein Überblick und was Experten dazu sagen.
Zur Studie selbst
Es gebe zwar Untersuchungen über die Keimbelastung von Brillen für Chirurgen oder für 3D-Brillen, welche in Kinos verliehen werden, doch zu den ganz regulären Brillen für Alt und Jung fehlten bislang die wissenschaftlichen Erkenntnisse.
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Studienleiter hier war Mikrobiologe Prof. Dr. Markus Egert von der Hochschule Furtwangen, bekannt für seine Untersuchungen zur Keimbelastung von Küchenschwämmen und anderen Gebrauchsgegenständen.
Im Detail: Insgesamt 31 Brillen wurden für diese Studie an je sieben Stellen (Rahmen, Nasenpolster, Gläser) mit Tupfern beprobt und nach der Anzucht auf Nährmedien die vorhandenen Bakterien untersucht. 21 Brillen stammten von Studierenden und Mitarbeitern der Hochschule Furtwangen, zehn von Bewohnern eines Altenheims.
„Alle untersuchten Brillen waren bakteriell besiedelt“, erläutert Prof. Egert. „Am stärksten an Stellen mit direktem Hautkontakt wie Ohrbügel und Nasenpolster. Die geringste Keimdichte fand sich auf den Gläsern.“ Gemessener Spitzenwert waren 660.000 Bakterien/cm2 auf einem Nasenpolster.
Im Mittel über alle Stellen waren die Hochschul-Brillen nicht stärker besiedelt als die Altenheim-Brillen: 1.400 im Gegensatz zu 2.080 Bakterien/cm2. Auf den Gläsern der Altenheim-Brillen wurden aber deutlich mehr Bakterien als auf den Hochschul-Brillen nachgewiesen (230 Bakterien/cm2 gegenüber 40 Bakterien/cm2). Eine mögliche Erklärung dafür: Die altersbedingte Sehschwäche der Seniorenheimbewohner fördert die Verkeimung der Gläser, weil sie diese seltener reinigen, denn Fingerabdrücke oder ähnliche Verschmutzungen auf den Gläsern fallen ihnen weniger auf.
Je älter der Träger, desto mehr Bakterienarten auf der Brille
Auf den Altenheim-Brillen zeigte sich zudem eine höhere Vielfalt an Bakterien (zehn Gattungen im Gegensatz zu zwei Gattungen auf den Hochschul-Brillen). Dazu passt: Auch die Hautflora wird mit zunehmendem Alter vielfältiger.
Identifiziert wurden vor allem typische Haut- und Schleimhautbakterien, vor allem der Gattung Staphylococcus. Der Anteil an potenziell pathogenen, also potenziell gesundheitsschädlichen Bakterienarten lag bei rund 60 Prozent. Diese Bakterien können vor allem bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem Krankheiten auslösen. Es wurden auch Auslöser von Augenerkrankungen wie Bindehautentzündung oder Endophthalmitis gefunden, etwa Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus hominis und Staphylococcus aureus. Von diesen Arten sind auch Antibiotika-resistente Varianten bekannt.
Feuchte Reinigungstücher helfen schon
Mit standardisierten Reinigungs-Tests wurde gezeigt, dass sich durch Abreiben von Gläsern und der kompletten Brille mit feuchten Brillen-Reinigungstüchern eine Keimreduktion um 94 bis 99 Prozent erreichen lässt. Dabei wurden auch Reinigungstücher mit einer alkoholfreien Reinigungslösung getestet, die schonender zu Kunststofffassungen ist. Eine trockene Reinigung war weniger effektiv beim Entfernen von Keimen und erzielte 85 bis 90 Prozent Reduktion.
„Die Studie zeigt deutlich, dass Brillen als Keimträger fungieren“, wertet Prof. Egert. „Für gesunde Menschen stellt ihre Brille sicher kein besonderes Infektionsrisiko dar“, beruhigt der Studienleiter.
Weitere Studien geplant
In weiteren Studien soll gezeigt werden, ob Zusammenhänge zwischen der Flora auf der Brille und wiederkehrenden Augeninfektionen bestehen können, also ob eine Brille als eine Art Erreger-Reservoir fungieren kann. Weiterhin soll untersucht werden, ob Brillen auch Verstecke für Antibiotika-resistente Keime wie MRSA (Multi-resistenter Staphylococcus aureus) sein können, insbesondere im klinischen Umfeld. „Bei häufig wiederkehrenden Augeninfekten oder einer nötigen MRSA-Sanierung sollte aber auch an eine Desinfektion der Brille gedacht werden.“
Medien-Echo
„Brille als Keimschleuder“ titelte Der Standard in Österreich Anfang Dezember. Das Heute-Newsportal aus Österreich: „Keim-Alarm: Brillen sind voller Bakterien“. Die ÄrzteZeitung war da etwas entspannter: „Welche Keime unsere Brillen besiedeln – und wie wir sie loswerden“.
Mitte Dezember konnte man in der Saarbrücker Zeitung lesen: „Das kann ins Auge gehen: Auf Brillen leben viele Bakterien“. Und das Nachrichten-Magazin Focus stellte klar: „Risiko für Augenentzündung! Bei Brillen-Reinigung machen die meisten einen Fehler“.
Nachgefragt
Nicole Stolz, Vorstandsmitglied der Augenoptiker-Innung Rheinland-Pfalz/Saarland und Inhaberin von Stolz Augenoptik in Ludwigshafen, befasst sich schon länger mit diesem Thema. Eyebizz hat bei ihr nachgefragt, was sie zur Studie meint:
„Ich bin sehr glücklich darüber, dass sich eine kompetente und anerkannte Institution dem Thema Brillenpflege im erfolgten Sinne gewidmet hat. Das zeigt mir, dass es doch einen wichtigeren Stellenwert einnimmt, als oft angenommen, und es so noch mehr ins öffentliche Interesse rückt.“
Seit ihrem Eintritt in die Augenoptik vor 33 Jahren, initiiert vom elterlichen, augenoptischen Anspruch zum Thema richtige Brillenpflege, beschäftigt Stolz sich mit diesem Aspekt. Motiviert, sich intensiver damit auseinander zu setzen, wurde sie vor ca. neun Jahren, als der SWR auf sie zukam mit der Bitte, dem TV-Publikum als Expertin zu unter anderem auch diesem Thema weiterzuhelfen. Das extremste Feedback seitens der Zuschauer habe sie immer wieder zu Brillenreinigung vs. -putzen erfahren. Und das bundesweit.
Das motiviere sie immer wieder, sich weiter mit den relevanten Möglichkeiten, die sich aus der Studie ergeben, auseinander zu setzen und praktisch zu beschäftigen. Und diese so auf- und auszuarbeiten, dass sie nutzbringend und leicht umsetzbar sind. „Sowohl für uns Fachleute als auch und vor allem für die Endverbraucher.“
Forschungsprojekt
Die Studie ist ein Kooperationsprojekt der Hochschule Furtwangen mit der Carl Zeiss Vision International GmbH (Aalen), der Universitäts-Augenklinik Tübingen und den Laborärzten Singen im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes CoHMed (Connected Health in Medical Mountains), mit dem die Kooperation zwischen der Hochschule Furtwangen und der regionalen Medizintechnik-Industrie gefördert wird.
Veröffentlichung Titel des Papers: A view to a kill? – Ambient bacterial load of frames and lenses of spectacles and evaluation of different cleaning methods Zeitschrift: PLOS One