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Nachhaltigkeit in der Augenoptik

Kontaktlinsen und Klimaschutz: Der Stand der Dinge

Eine Biolinse wird es in absehbarer Zeit wohl nicht geben, doch es mehren sich erfolgversprechende Ansätze, Produkt und Handhabung nachhaltiger zu machen. Gerade für junge Kontaktlinsen-Träger wird ein ressourcenschonender Umgang mit der Umwelt immer wichtiger. Augenoptiker sollten das berücksichtigen. Ein Überblick über den Stand der Dinge. [13584]

Kontaktlinse
Kontaktlinsen und Klimaschutz (Bild: Pexels / Roman Koval)

4,3% der Erwachsenen in Deutschland zwischen 15 und 64 Jahren tragen Kontaktlinsen. Das sind etwa 3,5 Millionen Kontaktlinsenträger. 87% davon werden mit Tauschlinsen in Form von Tages-, Monats-, oder Wochenlinsen versorgt. 3,9% fallen auf individuelle Weichlinsen und 8,4% tragen formstabile Kontaktlinsen (Marktdaten Euromcontact 2018). Oftmals machen sich Kontaktlinsenträger keine Gedanken darüber, wie sie ihre Linsen richtig entsorgen. Der Anpasser berücksichtigt das meistens auch nicht, da die Beseitigung für ihn selbstverständlich erscheint.

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Doch mit steigendem Umweltbewusstsein wird die Frage immer drängender, wie die kleinen Sehhilfen am besten entsorgt werden. Allein in den USA werden im Jahr 14 Milliarden Kontaktlinsen weggeworfen. Ein großer Teil davon über die Toilette oder im Abfluss. Wissenschaftler schätzen, dass so mehr als 20 Tonnen Kontaktlinsen in den amerikanischen Kläranlagen landen (www.kontaktlinseninfo.de). In Deutschland dürfte die Situation, bezogen auf die Bevölkerungszahl, nur wenig besser sein.

Kontaktlinsen und das Problem Mikroplastik

Kontaktlinsen bestehen aus makromolekularen, organischen Werkstoffen, die zu den Polymeren gehören. Da sie Medizinprodukte sind, dürfen nur bestimmte Kunststoffe verwendet werden. Für die Stabilität der Linse sorgt beispielsweise Methylmethacrylat, die Optik wird durch Siloxan und Fluorverbindungen verbessert. Hydrogellinsen mit einer höheren Sauerstoffdurchlässigkeit enthalten einen gewissen Silikonanteil, der meist aus HEMA-Homopolymeren besteht. Diese Kunststoffe sind ein wertvoller Rohstoff und durch die Herstellung mit Erdöl auch energiereich. Kontaktlinsen dürfen niemals in Abfluss oder in der Toilette entsorgt werden. Sie gehören auch nicht in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne. Da sie biologisch nicht abbaubar sind, müssen sie in den Restmüll.

BUND: Mikroplastik
Mikroplastik (Bild: Stephan Glinka/BUND)

Der Grund: Durch bestimmte Mikroorganismen in den Kläranlagen verändern sich die Kunststoffe und zerfallen zu Mikroplastik. Die daraus entstehenden Kleinstteilchen können in den 172 Stunden in der Kläranlage von den Filteranlagen nicht gefiltert werden. So gelangen sie mit dem Filterschlamm, der häufig auf den Äckern verteilt wird, in die Umwelt. Da es noch keine Alternative zu diesen Kunststoffmaterialien gibt, ist die Kompetenz der Kontaktlinsen-Anpasser gefragt, sich dieser Thematik anzunehmen.

Vielleicht erscheinen die Tonnen von Plastikmüll, die durch das Kontaktlinsen tragen entstehen, als ein kleines Problem, verglichen mit der Gesamtmasse an freigesetzten Kunststoffen. Doch getragene Kontaktlinsen im Restmüll zu entsorgen oder zurück zum Anpasser zu bringen, ist eine kleine Verhaltensänderung mit großen Auswirkungen. Vorausgesetzt, der Kontaktlinsen-Träger ist sich dessen bewusst. Und viele machen mit.

Stellschraube Verpackung

Im Tauschbereich ist bei einigen Herstellern bereits ein Umdenken zu erkennen. Es werden immer häufiger Umverpackungen reduziert, nachhaltig produziert oder sogar vollständig darauf verzichtet. Der Einsatz besonders dünner Blisterverpackungen, beispielweise bei der Firma Menicon, die aus recyceltem Kunststoff hergestellt und wiederverwertbar sind, ist eine Möglichkeit, Nachhaltigkeit zu praktizieren. Durch ein besonders dünnes Design der Blister werden weniger Rohstoffe verbraucht. Außerdem entsteht dadurch weniger Abfall. Und zwar etwa 20% der herkömmlichen Menge bezogen auf einen Jahresbedarf an Tageslinsen.

In der Kontaktlinsen-Pflege wird Plastikmüll vermieden, indem die Umverpackungen aus Plastikmaterial komplett aus dem Programm genommen werden. Diese werden gegen Kartons aus nachhaltiger Forstwirtschaft ersetzt. Wenn möglich, wird auf Umverpackungen sogar ganz verzichtet. Falls individuelle Kontaktlinsen im Zuge einer Anpassung zurückgeschickt werden müssen, bietet MPG&E an, mit einer Rücksendebox zu arbeiten. Die Linsen werden gesammelt und die Box dann durch die Firma wieder abgeholt. So soll die CO2-Bilanz durch eine reduzierte Anzahl der Transportwege bei der Anpassung individueller Kontaktlinsen verbessert werden. Einige Hersteller verzichten auch komplett auf die Rücksendung.

Recycling in der Augenoptik
Recycling in der Augenoptik (Bild: Pixabay)

In den Niederlanden wird dem Anpasser etwa durch den Kontaktlinsen-Hersteller Bausch + Lomb ein Recyclingprogramm für Kontaktlinsen-Träger angeboten. Hier werden aus den Reststoffen der Linsen nachhaltige Produkte wie Gartenmöbel oder Blumentöpfe hergestellt (www.recyclens.nl). Ein vergleichbares Recyclingprogramm kann auch in Deutschland genutzt werden (siehe Interview weiter unten).

Stellschraube Materialien

Eine Veränderung zeigt sich auch bei den Blistermaterialien. Mittlerweile werden Blisterverpackungen immer häufiger aus dem Kunststoff Polypropylen gefertigt. Laut Verbraucherzentrale enthält Polypropylen keine schädlichen Weichmacher und ist deshalb weniger gesundheitsschädlich als andere Kunststoffe. Die richtige Entsorgung des Kunststoffes bleibt auch hier wichtig.

Stellschraube Tragedauer

Auch die Tragedauer der Kontaktlinsen spielt bei der Nachhaltigkeit eine Rolle. Wird die Linse täglich getragen, entsteht wesentlich mehr Plastikmüll. Hier lohnt sich der Vergleich individueller Weich- und Hartlinsen mit den Tauschsystemen. Werden Kontaktlinsen täglich getragen, ist die formstabile Linse mit nur einem Paar, das ein Jahr oder länger getragen wird, die nachhaltigste Variante. Nach dem Linsenwechsel behält der „formstabile Träger“ das alte Paar als Ersatzpaar. Dieses wird im Behälter trocken aufbewahrt und kann bei Bedarf wieder bedenkenlos eingesetzt werden.

Kontaktlinse und Behälter
Kontaktlinse und Behälter (Bild: Pixabay)

Bei Weichlinsen mit einem Tauschrhythmus von drei Monaten oder länger entstehen ebenfalls weniger Produktionskosten – sowie Abfall aus den Umverpackungen der Linsen. Auch wenn diese Variante den kleinsten Anteil am Kontaktlinsen-Markt ausmacht, die Sichtweise der Nachhaltigkeit lässt diese Produktgruppe in einem anderen Licht erscheinen. Beim monatlichen Wechsel der Tauschlinse, unter der Annahme, dass der Kunde die Kontaktlinsen entsprechend alle vier Wochen tauscht, ist der Verbrauch von zwölf Paaren pro Jahr hier wesentlich höher.

Bei den bereits genannten Kontaktlinsen-Arten gilt es, die Verpackung und Entsorgung der Pflegemittel zu berücksichtigen. Allerdings kann hier mit einer Art Pfandsystem gearbeitet werden. Der Vorteil liegt einerseits in der intensiveren Kundenbindung, die gerade im Pflegemittelbereich einen besonderen Fokus genießen sollte. Andererseits kann durch den Anpasser die Pflegemittelverpackung fachgerecht entsorgt werden. Dem gegenüber steht die Tageslinse mit 365 Paaren pro Jahr. Hier wird deutlich mehr Plastikmüll erzeugt als bei anderen Systemen. Allerdings fällt der Abfall, der durch Pflegemittel erzeugt wird, weg.

Fazit

Momentan steht das Thema Nachhaltigkeit noch nicht im Fokus. Das wird sich zukünftig verändern. Kontaktlinsen-Anpasser, deren Kunden auf Nachhaltigkeit achten, haben unterschiedliche Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Als Anpasser selbst das Zepter in die Hand zu nehmen und die Kunden zu sensibilisieren, ist die aktive Variante. Kontaktlinsen-Träger, die auf die Entsorgung ihrer Kontaktlinsen hingewiesen werden oder denen Wege aufgezeigt werden, wie sie sich beim Kontaktlinsen tragen nachhaltiger verhalten können, werden diesen Service sicherlich weiterempfehlen.

 


 

Interview mit Carina Freytag-Hafen

„Ich wünsche mir, dass Hersteller, Optiker und Kunden aus der Komfortzone heraustreten.“

Kontaktlinsen: Recycling Blisterverpackungen - Carina Freytag-Hafen

Carina Freytag-Hafen von Optik Marx in München hat ein Recyclingprogramm für Kontaktlinsen-Blister ins Leben gerufen. Kunden bringen die Blisterverpackungen zurück zu ihrem Augenoptiker, sofern der sich an diesem Programm beteiligt. Die Kunststoffverpackungen müssen lediglich von den Aluminium-Abdeckfolien getrennt werden. Wenn zehn Kilogramm des Abfalles gesammelt sind, werden die Verpackungen an den Entsorger gesendet.

Frau Freytag-Hafen, warum haben Sie ein Kontaktlinsen-Recycling-Programm auf die Beine gestellt?

Bei der Umstellung meines Kontaktlinsen-Lagers ärgerte ich mich, als ich merkte, wie viele Anpasslinsen ich entsorgen musste, weil sie abgelaufen waren. Das war ein Riesensack voll. Dazu kam dann das Verpackungsgesetz. Man muss sich registrieren lassen, wenn man Verpackungen verschickt. Ich dachte, wenn mir die Firmen die Blister schicken, dann kann ich ihnen die auch wieder zurückschicken. So kam ein Gedanke zum nächsten. Denn wir haben 14.000 Blister im Laden. Dabei handelt es sich um den hochwertigsten Kunststoff in der reinsten Form. Er geht verloren, wenn man ihn mit minderwertigen Kunststoffen entsorgt. Glücklicherweise habe ich einen Entsorger gefunden, der mich unterstützt.

Wie machen Sie Ihren Kunden das Recycling-Programm schmackhaft?

Die Ansprache erfolgt bei jeder Erstanpassung von Tausch-Kontaktlinsen. Wir kommunizieren das Thema auch über unsere Homepage. Zudem haben wir eine Broschüre, die das System erklärt. Jede Box bekommt einen Aufkleber, der auf das Recycling-Programm hinweist. Unsere Erfahrung zeigt, dass der Kunde die Blister zurückbringt. Er holt sich seinen Umweltpunkt für seine Sammelkarte und spart auch noch. Ich sammle die Blister und kann nach fast zwei Jahren beweisen, dass das System funktioniert. Auch wenn man mir anfangs klar machen wollte, dass es nicht laufen wird.

Warum sollte ein Augenoptiker bzw. Anpasser an diesem System teilnehmen?

Es ist eine Riesenchance, sich vom Internet abzuheben. Der Augenoptiker zeigt, dass er seine Produkte nachhaltig auswählt und dadurch vielleicht auch die Hersteller bewegt, einen Umweltbeitrag zu leisten. Letztendlich geht es um Kreislaufwirtschaft. Das muss das Endziel sein, um Ressourcen zu sparen. Wenn alle mitmachen, wird damit eine Welle ausgelöst. Auch wenn die Kosten des Recyclings höher sind, die Ressourcen, die wir damit einsparen, müssen es uns wert sein. Mit dem Brillenspray macht der Optiker das genauso. Der Kunde kommt zum Auffüllen in den Laden. Deshalb verstehe ich nicht, dass viele hier kein Potenzial sehen. Mein Traum wäre, dass Hersteller, Optiker und Kunden aus ihrer Komfortzone heraustreten.

Wo liegen die Schwierigkeiten mit dem Programm?

Der Augenoptiker muss sich mit seinem Geschäft befassen, ein Konzept erarbeiten. Das System ist anfangs zeitaufwändig, denn es muss kommuniziert werden. Ich habe das Glück, ein Team zu haben, das ebenso motiviert ist wie ich, das überträgt sich auf den Kunden. Leider haben manche noch die Einstellung, dass an Kontaktlinsen sowieso nichts verdient wird. Uns hat die Linse allerdings viele Brillenträger gebracht. Wir generieren dadurch Zusatzprodukte wie Sonnenbrillen oder Sportbrillen. Die Chance zu ergreifen, lohnt sich.


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Beitrag aus der eyebizz 6.2020

 

Tanja Leideck ist Augenoptikermeisterin, staatlich geprüfte Augenoptikerin, Coach und Inhaberin von Ophthalmo Consulting. Seit 30 Jahren ist sie in der augenoptischen Branche u.a. im Außendienst tätig und gibt ihre Erfahrungen mittlerweile als Unternehmenscoach in Vorträgen, Workshops, individuellen Schulungen und Trainings weiter.

 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sehr geehrter Herr Völl,

    vielen Dank für Ihr konstruktives Feedback.
    Sie haben recht mit Ihrem Einwand, wir haben das nun korrigiert.

    Herzlichst
    Jürgen Bräunlein /eyebizz

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Als Pressesprecher irritiert mich die Aussage, die auch an anderer Stelle zu lesen ist, gebrauchte Kontaktlinsen könnten zusammen mit der Verpackung im Gelben Sack oder der Gelben Tonne entsorgt werden. Kontaktlinsen gehören nicht in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne, unter keinen Umständen! Sollte der Grüne Punkt auf der Verpackung aufgebracht sein, so bezieht er sich nur auf diese, nicht auf den Inhalt. Wir könnten die Linsen auch gar nicht recyceln, da Verpackungen aus ganz anderen Kunststoffen hergestellt werden.

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