Kurzsichtigkeit bei Kindern: Mit orthokeratologischen Kontaktlinsen entgegenwirken
von Redaktion,
(Düsseldorf) – Wenn Kinder kurzsichtig werden, dann sind Kontaktlinsen eine gute Möglichkeit, das Fortschreiten des Sehfehlers zu bremsen. Dr. Oliver Hoppe, Leiter des Ressorts Kontaktlinsen im Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA), erläutert die Hintergründe und die verschiedenen Möglichkeiten.
„Bis zum Alter von etwa acht Jahren sind die meisten Kinder tendenziell weitsichtig“, berichtet Dr. Hoppe – das war zumindest bisher die Regel. Doch die Sehgewohnheiten der Kinder änderten sich: Nah-Arbeit – darunter verstehen Augenärzte das andauernde Schauen auf Objekte in einem Abstand von 30 cm oder weniger – nimmt zu. Auch und gerade Kinder erliegen der Faszination von Smartphones, Tablets und Computern und beschäftigten sich gerne ausdauernd damit.
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Diese Nah-Arbeit förderte die Entstehung der Kurzsichtigkeit, warnt Dr. Hoppe. Über komplexe Mechanismen fördert sie das Wachstum des Augapfels: Wenn das Auge sich ständig auf Objekte in naher Entfernung fokussiert, dann entsteht in den Randbereichen der Netzhaut ein unscharfes Bild. Dies wiederum scheint Faktoren zu aktivieren, die das Längenwachstum des Auges anregen.
Ein „zu langer“ Augapfel ist aber kurzsichtig. Dann brauchen die Kinder nicht nur für das Sehen in der Ferne eine Sehhilfe, sondern bei starker Kurzsichtigkeit steigt auch das Risiko für Folgeerkrankungen im Erwachsenenalter. Deshalb gilt es zu vermeiden, dass der Sehfehler immer weiter zunimmt.
Orthokeratologische Kontaktlinsen
Kontaktlinsen seien hier für manche Kinder eine Möglichkeit, dem Längenwachstum des Augapfels entgegenzuwirken. „Kontaktlinsen mit einer besonderen Geometrie, die nachts getragen werden, können die Hornhaut so formen, dass die Wirkung auch am Tag anhält“, erläutert Dr. Hoppe. Diese sogenannten orthokeratologischen Kontaktlinsen sorgen dafür, dass die Hornhaut des Auges am Rand eine stärkere Krümmung erhält, so dass auch das äußere, periphere Netzhautbild scharf gestellt wird.
Für diese Kontaktlinsen gibt es verschiedene Profile, je nachdem wie groß das Risiko ist: Bei Kindern, deren Eltern bereits kurzsichtig sind oder auch bei Kindern asiatischer Herkunft ist die Gefahr einer Zunahme der Kurzsichtigkeit besonders groß. „Die Wirkung der orthokeratologischen Kontaktlinsen ist bis -4 Dioptrien als realistisch zu sehen. Eine geringe Hornhautverkrümmung bis etwa 0,75 Dioptrien kann eventuell mit korrigiert werden. Höhere Werte werden oft nicht vollständig ausgeglichen“, erläutert Dr. Hoppe. Wenn ein Kind die nachts getragenen orthokeratologischen Kontaktlinsen nicht verträgt oder sich dagegen wehrt, dann bestehe auch die Möglichkeit, denselben Effekt mit über den Tag zu tragenden Kontaktlinsen zu simulieren.
Allerdings erfordere die Therapie eine sorgfältige, fachkundige Begleitung. Wichtig sei es, dass die Augen regelmäßig untersucht werden. Insbesondere die Versorgung der Hornhaut mit Sauerstoff ist dabei zu beobachten. Bei den nachts getragenen Kontaktlinsen ist dieses Problem besonders zu beachten, da bei geschlossenen Lidern ohnehin schon weniger Sauerstoff an die Augenoberfläche gelangt. Auch die beim Tragen von Kontaktlinsen stets zu beachtenden Hygieneregeln müssten genau erläutert werden. Insbesondere bei den orthokeratologischen Kontaktlinsen würden Infektionen der Augenoberfläche häufiger beobachtet als bei tagsüber getragenen Kontaktlinsen.
Therapie mit Augentropfen
Augentropfen, die niedrig dosiertes Atropin (0,01%) enthalten und die abends ins Auge getropft werden, seien eine weitere Möglichkeit, die Kurzsichtigkeit auszubremsen. Diese Behandlung kann kurzsichtigen Kindern im Alter zwischen etwa sechs und 14 Jahren angeboten werden, wenn die Kurzsichtigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien pro Jahr zugenommen hat. Die Augentropfen könnten mit Kontaktlinsen kombiniert oder auch als alleinige Therapie eingesetzt werden, meint Dr. Hoppe.
Aber nicht jedes Kind spreche auf diesen Therapieversuch an. Diese Form der Behandlung, die in Asien in großen Studien getestet wurde, werde in Deutschland – anders als etwa in Österreich – nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt. Dr. Hoppe betont, dass eine gründliche augenärztliche Untersuchung die Grundlage für die Behandlung ist.
Der BVA empfiehlt, aktiv zu werden, wenn Kinder im Schulalter kurzsichtig werden. Noch besser sei es natürlich, wenn ein Kind gar nicht erst kurzsichtig wird. Deshalb rät auch Dr. Hoppe allen Eltern, ihre Kinder möglichst zwei Stunden am Tag im Freien spielen zu lassen – denn dann sinke das Risiko für die Kurzsichtigkeit. Und die Zeit, die mit Nah-Arbeit verbracht wird – also auch mit Smartphones, Tablets und Co – sollte sich in Grenzen halten.