Manche sprechen von einer Volkskrankheit: Trockenes Auge – etwa 15 Millionen Menschen sind laut Deutschem Ärzteblatt in Deutschland davon betroffen. Inzwischen betrifft das sogenannte Sicca-Syndrom unterschiedliche Altersklassen. Und es ist auch bei der Kontaktlinsen-Anpassung ein Punkt, der mehr Aufmerksamkeit erfordert.
Das trockene Auge wird definiert als eine „multifaktorielle Störung von Tränenfilm und Augenoberfläche, die zu Beschwerden, Sehstörungen und einer Tränenfilminstabilität mit möglicher Schädigung der Augenoberfläche führt und mit einer erhöhten Osmolarität des Tränenfilms sowie einer subakuten Entzündung der Augenoberfläche assoziiert ist“.
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Trockenes Auge: Die Ursachen
Der Tränenfilm, welcher klassisch in die drei Phasen Lipidphase, wässrige Phase und Muzinphase eingeteilt wird, hat die Aufgabe, die Augenoberfläche zu schützen. Beim trockenen Auge ist dieser verändert, wodurch Umweltreize die Augenoberfläche ungeschützt erreichen. Die sogenannte Keratoconjunctivitis sicca macht sich zum Beispiel durch brennende, juckende Augen und Lichtempfindlichkeit bemerkbar. Auch gerötete oder vermehrt tränende Augen können ein Hinweis auf das trockene Auge sein. Der Kunde beschreibt manchmal auch ein Stechen oder ein unangenehmes Fremdkörpergefühl.
Das hat unterschiedliche Ursachen. Eine Einteilung in zwei Kategorien hat sich bewährt. Zum einen produzieren entweder die Tränendrüsen zu wenig Tränenflüssigkeit oder es ist zum anderen die Zusammensetzung des Tränenfilms gestört und die Verdunstungsrate ist zu hoch. Beschwerden allein durch eine Verminderung der Tränenflüssigkeit haben lediglich zehn Prozent der Betroffenen. Den größeren Anteil, immerhin 80%, betreffen Mischformen aus beiden Ursachen. Im zunehmenden Alter erhöht bei Frauen auch der absinkende Hormonspiegel das Risiko für ein trockenes Auges.
Allerdings nehmen auch Faktoren wie Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Medikamenteneinnahme und Rauchen Einfluss. Nikotin kann unter anderem zu einer Störung der wässrigen Phase führen. Bei Medikamenten sind es nicht nur die Beta-Blocker oder Schlafmittel, die in den Tränenfilmhaushalt eingreifen, sondern auch Hormone und Medikamente gegen Allergien. Deshalb ist sinnvoll, bei der Anamnese nach der Medikamenteneinnahme zu fragen. In der folgenden Übersicht sind einige Medikamente, die zum trockenen Auge führen können, aufgelistet.
Einige Medikamente, die zum trockenen Auge führen können (Quelle: cms.augeninfo.de):
Acetylsalicylsäure (bei Schmerzen, zur Blutverdünnung)
Antihistaminika (bei allergischen Erkrankungen)
Anticholinergika (bei Koliken oder chronischer Bronchitis)
Isotretinoin (bei Hauterkrankungen, wie z.B. Akne)
Neuroleptika (bei Psychosen)
Östrogene (bei Beschwerden der Wechseljahre)
Reserpin (bei arteriell erhöhtem Blutdruck)
Thiazid-Diuretika (bei Blutdruckerhöhung, Ödem)
Trihexyphenidyl (Parkinson-Mittel)
Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (bei depressiven Erkrankungen, Angstzuständen)
Computerarbeit sowie Umweltbedingungen haben ebenso Einfluss. Dazu zählen Feinstaub oder trockene Luft in klimatisierten Räumen. Gerade in neuen Büroräumen beträgt die Luftfeuchtigkeit häufig nur etwa 20 Prozent. Hier kommt dazu, dass speziell bei der Arbeit am Computer die Lidschlagfrequenz deutlich verringert ist, der Tränenfilm aufreißt und Beschwerden entstehen, die als Office-Eye-Syndrom bezeichnet werden. Hier ist der Blick, genauso wie bei Autofahrten, sehr konzentriert und die Augenoberfläche wird trocken.
Eine zusätzliche Ursache kann in der Ernährung liegen. Auch hiernach sollte gefragt werden. Denn zu fettes, salziges oder süßes Essen wirkt sich nicht nur auf die Figur, sondern auch auf den Tränenfilm aus. Außerdem kann durch Stress und Schlafmangel das Auge ebenfalls trocken werden.
Die Liste lässt sich weiter verlängern. Zum Beispiel um die Frage nach dem täglichen Trinkverhalten, dabei geht es um die Wasseraufnahme, aber auch um Alkohol-Konsum. Denn der Körper dehydriert unter dem Einfluss von Alkohol, und die Dehydration wiederum hat Einfluss auf das Auge (siehe auch: Dr. Andreas Berke, eyebizz 6.2019 und 1.2020).
Auch Vitaminmangel macht sich am Auge bemerkbar. Vitamin A ist zum Beispiel wichtig, um Augen und Schleimhäute gesund zu halten. Es kommt in Gemüsesorten wie Karotten, Spinat, Aprikosen und Paprika vor. Bei Vitamin-A-Mangel nimmt die Anzahl der Muzin bildenden Zellen ab und führt damit zum trockenen Auge. Allerdings kann auch ein Vitaminüberschuss, ebenfalls bei Vitamin A, welches bei einem zu hohem Spiegel zu Veränderungen des Meibomschen Sekrets und damit zur Destabilisierung des Tränenfilms führt, Beschwerden hervorrufen. Kurzum, die Lebensweise und die Umgebungsbedingungen spielen eine große Rolle und sollten abgefragt werden. Es gilt, sich einen Anamnesebogen zu gestalten, der Fragen beinhaltet, die der Anpasser für sinnvoll erachtet.
Beim trockenen Auge handelt es sich nicht um eine Befindlichkeitsstörung, sondern um eine Erkrankung, die, wie beschrieben, unterschiedliche Ursachen haben kann und die funktionelle Sehfähigkeit beeinträchtigt. Sie hat viel mit einer Autoimmunerkrankung gemeinsam.
Kontaktlinsenträger und Sicca-Syndrom
Da immer häufiger auch Kontaktlinsenträger vom trockenen Auge betroffen sind, spielt die Abfrage nach Symptomen eine immer größere Rolle. Denn zum Teil können Kontaktlinsen trockene Augen und die damit verbundenen Beschwerden hervorrufen oder verstärken. Deshalb ist eine umfangreiche Anamnese in der Kundenberatung und bei der Anpassung notwendig, um die Zufriedenheit des Kontaktlinsenträgers zu gewährleisten und aufrecht zu erhalten. Im ungünstigsten Fall kann die Keratoconjunctivitis sicca das Tragen von Kontaktlinsen so stark beeinflussen, dass es ganz oder teilweise eingeschränkt werden muss.
Spricht der Linsenträger vermehrt über Symptome wie müde Augen, Brennen, Sehschärfenminderung und Fremdkörpergefühl, sollte gehandelt werden. Oftmals bemerkt der Kontaktlinsenspezialist schon im Spaltlampenbefund eine leichte Rötung der Bindehaut, eventuell leichte Stippungen und eine verminderte Qualität des Tränenfilms, welche sich im Fließverhalten und in einer verminderten Aufreißzeit bemerkbar machen. Auch Veränderungen der Bindehaut, insbesondere die lidkantenparallelen konjunktivalen Falten (LIPCOF) geben einen Hinweis auf die Thematik trockenes Auge.
Hinweise auf ein trockenes Auge
Wenn die Form der Augenlider analysiert wird, kann erkannt werden, ob sich der Tränenfilm ausreichend über das Auge verteilt. Rötungen und Veränderungen der hinteren und vorderen Lidkante können darauf einen Hinweis geben.
Bei der Betrachtung des Tränenmeniskus erhält der Anpasser zudem Informationen darüber, wie hoch die Tränenmenge ist, die durch den Lidschlag dem Auge zur Benetzung zur Verfügung steht und ob diese ausreicht. Bei einem normalen Auge sollte diese 0,2 Millimeter betragen.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten zur Bestimmung und Analyse des trockenen Auges. Wenn durch die Anamnese und das Kundengespräch deutlich geworden ist, dass die Symptomatik trockenes Auge vorliegt, gibt es unterschiedliche Maßnahmen, passend zu den gefundenen Gründen, durch die eine Verbesserung bewirkt werden kann. Der Kontaktlinsenträger selbst kann durch diese die Zufriedenheit beim Tragen seiner Linsen aufrechterhalten.
Vorausgesetzt, sie wurden im Beratungsgespräch erfragt und erläutert. Dazu gehört zum Beispiel, auf die Ernährung zu achten und ausreichend zu trinken. Auch bei der Umgebung können Veränderungen getroffen werden, die sich positiv auf das Auge auswirken. Hier kann individuell auf den Kontaktlinsenträger eingegangen werden.
Fazit
Das trockene Auge betrifft viele Menschen und ist auch bei der Kontaktlinsenanpassung ein Punkt, der mehr Aufmerksamkeit erfordert. Wenn hier durch eine ausführliche Anamnese die Symptomatik trockenes Auge erkannt wurde und dem Kunden, ob Kontaktlinsenträger, Brillenträger oder beides, eine Lösung präsentiert wurde, schafft das Vertrauen und garantiert zufriedene Kunden.
(Quelle: u.a. Deutsches Ärzteblatt, Berlin)
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Tanja Leideck ist Augenoptikermeisterin, staatlich geprüfte Augenoptikerin, Coach und Inhaberin von Ophthalmo Consulting. Seit 30 Jahren ist sie in der augenoptischen Branche u.a. im Außendienst tätig und gibt ihre Erfahrungen mittlerweile als Unternehmenscoach in Vorträgen, Workshops, individuellen Schulungen und Trainings weiter.