Wie im vergangenen Jahr findet auch 2021 der Kongress der DOG wieder online statt. Vom 30. September bis zum 3. Oktober werden sich Vertreter der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft zum 119. Mal wissenschaftlich austauschen und diskutieren, unter anderem auch zur zunehmenden Digitalisierung im Bereich der Augenheilkunde.
Die Digitalisierung mache auch vor den klinischen Tätigkeiten nicht Halt. Künstliche Intelligenz könne in der Zukunft ein Mittel sein, die Diagnostik präziser werden zu lassen und telemedizinische Ansätze können die Ophthalmologen in die Lage versetzen, auch in Regionen, wo Ärzte fehlen, Patienten zu versorgen und zu betreuen, so DOG-Präsident Prof. Dr. Hagen Thieme in seinem Grußwort zum Kongress.
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Die wissenschaftliche Ophthalmologie Deutschlands, aber auch weltweit stehe an einer wichtigen Schwelle und vor wegweisenden Veränderungen, die nicht nur die Jüngeren unter den Augenärzten gestalten könnten. Vielmehr sei es auch wichtig, die Generation, die noch analog aufgewachsen ist, nicht zurückzulassen und in die digitale Zukunft mitzunehmen, um von ihren „analogen“ Erfahrungen zu profitieren.
Die Themen des DOG-Kongresses sind vielfältig, z.B. über neue Operationsverfahren beim Grünen Star oder über die zukünftige Reparatur der Hornhaut mit Stammzellen. Für Augenoptiker*innen und Optometristen sicher interessant die Vorträge zu Blaulicht und Myopie-Entwicklung.
Thema Blaulicht
Filter für Smartphones, Computerbrillen für Kinder, Kontaktlinsen für PC-Arbeit: Viele Produkte werben mit dem Schutz vor Blaulicht, das von Bildschirmen und Handydisplays ausgeht. Experten der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) bezweifeln, dass blaues Licht wirklich schädlich für die Augen ist.
Blaues Licht gehört zum sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums und zeichnet sich durch Energiereichtum aus. „Dennoch ist die Lichtstärke bei der Nutzung elektronischer Geräte viel zu gering, um Netzhautschäden an den Augen hervorzurufen“, so Professor em. Dr. rer. nat. Michael Bach vom Universitätsklinikum Freiburg. Dies zeige ein Vergleich: Die natürliche Beleuchtungsstärke im Freien bei bedecktem Winterhimmel betrage in unseren Breitengraden etwa 5.000 lux, an einem Sonnentag bis zu 100.000 lux. Ein Computer-Bildschirm, sehr hell eingestellt, bleibe in 50 cm Abstand jedoch unter 500 lux.
„Auch wenn Kinder durch Corona-bedingten Fernunterricht stundenlang vor Bildschirmen sitzen, sind zumindest Blaulicht-Augenschäden dadurch nicht zu befürchten“, stellt der Sehforscher fest. Weitere Erkenntnis zu vermeintlichen Beeinträchtigungen: Kontaktlinsen, die Blaulicht blockieren, schützten einer aktuellen Studie zufolge nicht besser vor einer Ermüdung der Augen bei der Bildschirmarbeit als Standardkontaktlinsen (1).
Thema Kurzsichtigkeit durch Lockdown
In China sei die Kurzsichtigkeit bei Kindern während des strengen Lockdowns leicht angestiegen, wie eine großangelegte Untersuchung ergab. Ursachen waren Tageslichtmangel und verstärktes Sehen im Nahbereich. Eine neue Studie zeige nun, dass dieser Trend in der Volksrepublik nach dem Lockdown wieder rückläufig ist – der Aufenthalt im Freien bei Tageslicht bremse die Entwicklung kindlicher Kurzsichtigkeit ab. Darauf machte die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) aus Anlass des Weltkindertages bereits am 20. September 2021 aufmerksam.
„In Asien verbringen Kinder sehr viel Zeit in geschlossenen Räumen, um zu lernen. Dies ist der Hauptgrund für die stark verbreitete Myopie in Fernost“, so Professor Dr. med. Wolf Lagrèze, Leitender Arzt der Sektion Neuroophthalmologie, Kinderophthalmologie und Schielbehandlung an der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg.
Während des strengen Lockdowns in China mit Ausgangsbeschränkungen und lang andauernden Schulschließungen haben sich Tageslichtmangel und Nahsehen weiter intensiviert. In der Folge stieg die Kurzsichtigkeit gerade bei jüngeren Kindern an, wie eine chinesische Studie mit hoher Fallzahl belegt (2). „Der Unterschied bei den Brillenwerten zu den Vorjahren war zwar gering, aber statistisch signifikant“, erläutert Lagrèze.
Eine weitere Studie aus China zeige unterdessen, dass die Myopie-Rate nach dem Lockdown wieder rückläufig ist (3). „Dies ist ein Beweis, dass Lichtmenge und Sehgewohnheiten einen Einfluss auf die Myopisierung haben“, konstatiert der Freiburger DOG-Experte. Hinweise, dass man den Lockdowneffekt auf Deutschland übertragen kann, gebe es jedoch nicht. „Uns liegen leider keine vergleichbaren Daten vor“, erklärt Lagrèze. „Zudem war der Lockdown in China deutlich strenger als bei uns.“
Dass die intensive Nutzung von PC, Tablets oder Smartphones Kurzsichtigkeit fördere, erscheint den DOG-Experten unwahrscheinlich: Laut KIGGS-Studie habe die Myopie-Rate unter deutschen Kindern in den zurückliegenden elf Jahren nicht zugenommen (4); auch der relative Anteil an Brillen, die wegen Kurzsichtigkeit verordnet werden, blieb in den vergangenen 16 Jahren unverändert (5).
Quellen:
(1) Singh S, Downie LE, Anderson AJ (2021) Do Blue-blocking Lenses Reduce Eye Strain From Extended Screen Time? A Double-Masked Randomized Controlled Trial. Am J Ophthal- mol 226:243–251. https://doi.org/10.1016/j.ajo.2021.02.010
(2) Wang J, Li Y, Musch DC, et al. Progression of Myopia in School-Aged Children After COVID-19 Home Confinement. JAMA Ophthalmol. 2021;139(3):293–300. doi:10.1001/jamaophthalmol.2020.6239
(3) Chang P et al. Ophthalmology 2021; epub
(4) Schuster, Alexander et al. Prävalenz von Kurzsichtigkeit und deren Veränderung bei Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse der deutschen KiGGS-Studie. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 855-60; DOI: 10.3238/arztebl.2020.0855
(5) Wesemann, W. Häufigkeit der Brillenträger in Deutschland. Ophthalmologe 115, 421–423 (2018). https://doi.org/10.1007/s00347-018-0698-9