Helfer auf vier Pfoten: 100 Jahre Blindenführhunde
von Redaktion,
(Berlin) Im Oktober 1916 übergab der Deutsche Verein für Sanitätshunde den ersten systematisch ausgebildeten Blindenführhund an den Kriegsblinden Paul Feyen. Einhundert Jahre später möchte der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) auf aktuelle Probleme bei der Ausbildung und dem Einsatz der Blindenführhunde hinweisen. Außerdem würdigt der Verband das Jubiläum mit verschiedenen Aktionen. Um Führhunde geht es auch in der „Woche des Sehens“ vom 8. bis 15. Oktober 2016.
Der DBSV würdigt das Jubiläum mit einer Wanderausstellung, einer Buchpremiere und einem Treffen von Blindenführhundhaltern aus ganz Deutschland. Die Aktivitäten werden gefördert durch die Aktion Mensch.
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100 Jahre Ausbildung von Blindenführhunden in Deutschland
Im Oktober 1916 übergab der Deutsche Verein für Sanitätshunde den ersten systematisch ausgebildeten Blindenführhund an den Kriegsblinden Paul Feyen. 100 Jahre später würdigt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) dieses Ereignis mit einer Wanderausstellung, einer Buchpremiere, einer Resolution und einem Treffen von Führhundhaltern aus ganz Deutschland.
Beginn im Ersten Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg wurden Blindenführhunde vor allem an erblindete Soldaten übergeben, aber in den folgenden Jahren profitierten zunehmend Zivilblinde von den „Helfern auf vier Pfoten“. Das fand auch im Ausland viel Beachtung und die Idee der systematischen und institutionellen Ausbildung von Führhunden führte zu Neugründungen von Schulen in der Schweiz, in England und den USA. Seither profitieren weltweit blinde und sehbehinderte Menschen von den Führleistungen ihrer Hunde.
Blindenführhunde sind aber nicht nur „sehende Assistenz“. Sie sind „Hilfsmittel mit Seele“. Ein Führhund bietet Hilfe und Freundschaft und steht seinem Halter rund um die Uhr zur Verfügung – und das ein Leben lang. Das macht ihn einzigartig. Denn selbst die sich stetig weiterentwickelnden Technologien können die Leistungen eines Führhundes allenfalls ergänzen, nicht ersetzen.
Helfer auf vier Pfoten: Aktuelle Probleme
Um auf aktuelle Probleme bei der Ausbildung und dem Einsatz von Führhunden hinzuweisen, überreichten zehn Führhundhalter Ende September eine Resolution mit den wichtigsten Forderungen des Verbandes an den Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer. Die Übergabe fand in Anwesenheit der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, sowie der behindertenpolitischen Sprecher der Fraktionen vor dem Reichstagsgebäude statt.
In der Resolution wird unter anderem thematisiert, dass es keine verbindlichen und transparenten Mindeststandards für die Ausbildung von Führhunden gibt. Der Verband fordert zudem eine Ergänzung der Behindertengleichstellungsgesetze, damit der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen nicht wegen eines Führhundes versagt werden kann.
Woche des Sehens vom 8. bis 15. Oktober
Um Blindenführhunde geht es auch in der Woche des Sehens vom 8. bis 15. Oktober 2016. Getragen wird die Aktionswoche, deren Schirmherrin die Fernsehjournalistin Gundula Gause ist, von der Christoffel-Blindenmission, dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, dem Berufsverband der Augenärzte, dem Deutschen Komitee zur Verhütung von Blindheit, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, dem Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf sowie der Pro Retina Deutschland. Seit dem Jahr 2002 informiert die bundesweite Kampagne mit vielfältigen Aktionen über die Bedeutung guten Sehvermögens und klärt über die Ursachen vermeidbarer Blindheit sowie die Situation sehbehinderter und blinder Menschen in Deutschland und in den Entwicklungsländern auf. Unterstützt wird die Woche des Sehens von der Aktion Mensch und der Carl Zeiss Meditec AG.
Historie der systematischen Ausbildung von Blindenführhunden in Deutschland
18. Jh. – Die Bewohner des Blindenheims Quinze-Vingts in Paris wurden bereits im 18. Jh. von Hunden durch die französische Hauptstadt geführt.
1780 – In Wien bildete sich der erblindete Siebmacher Joseph Reisinger seinen Spitz zum Führhund aus.
1847 – Der Schweizer Jakob Birrer berichtet über die Selbstausbildung seines Hundes in seinem Buch „Erinnerungen, besondere Lebensfahrten und Ansichten des Jakob Birrer“.
1916 – Im Oktober 1916 übergab der Deutsche Verein für Sanitätshunde den ersten systematisch ausgebildeten Blindenführhund an den Kriegsblinden Paul Feyen.
1923 – Der Verein für Deutsche Schäferhunde in Potsdam eröffnete auf Initiative des Reichsarbeitsministeriums eine Blindenführhundschule.
1929 – In den USA eröffnet die erste Blindenführhundschule: „The seeing eye“ (nach dem Vorbild der Potsdamer Führhundschule).
1930 – Am 26.11.1930 wurde in Berlin die Gesellschaft für Hundeforschung gegründet, mit dem Ziel, durch intensive Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis die Leistungen des Hundes zu steigern. Der Biologe Jakob von Uexküll und sein Mitarbeiter Emanuel Sarris waren Teil des Teams und erzielten in den folgenden Jahren beachtliche Erfolge in der Blindenführhundausbildung.
1965 – Veröffentlichung der wegweisenden Studie von John Scott und John Fuller: „Genetics and the social behavior of dogs” belegt die Bedeutung der ersten zwölf Lebenswochen für die spätere Sozialkompetenz des Hundes.
1975 – Erster Kurs „Orientierung und Mobilität“ für blinde Menschen nach amerikanischem Vorbild in Marburg. O&M-Training ist heute Voraussetzung für die Bewilligung eines Blindenführhundes.
Seit 1990 – Technische Hilfen (akustische Ampeln, Navigationsgeräte etc.) erleichtern blinden Menschen den Alltag, können den Blindenführhund aber nicht ersetzen. Forderungen: Zugangsrecht für Gespanne zu allen Bereichen des öffentlichen Lebens, verbindliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung, Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote für angehende Trainerinnen und Trainer.