Rund 28.000 (28.430) Besucher und 631 (668) Aussteller aus 38 Ländern – das waren ein paar weniger als im vergangenen Jahr. Dafür hatte die Münchener Leitmesse der Augenoptik andere Superlative zu bieten: In jetzt sechs Hallen – zwei mit je 10.000 qm mehr als bisher – wurden vom 25. bis 27. Januar die neuesten Mode- und Technologietrends für Brillen und Kontaktlinsen präsentiert. Insgesamt kann das Experiment mit sechs Hallen als gelungen abgebucht werden. Die vor allem von Ausstellern vorgetragene Kritik bringt allerdings Verbesserungspotenzial ans Licht.
„Das Thema Brexit wird uns in den kommenden Monaten noch stark beschäftigen“, erklärte Josef May, Vorsitzender des Industrieverbandes Spectaris, der zur Eröffnung der Messe vor der Presse die aktuellen Branchenzahlen vorstellte. 2018 betrug der Gesamtumsatz in der Augenoptik 4,46 Milliarden Euro, ein Wachstum von nur 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Während der Umsatz im Inland um 2,2 Prozent zunahm, ging er im Ausland um 1,3 Prozent zurück. Hauptgründe: der drohende Brexit und die aktuellen Handelshemmnisse mit den USA. Die Ausfuhren nach Nordamerika büßten um 21 Prozent ein, die nach Großbritannien sogar um 23 Prozent. „Wir müssen für die Zukunft mit Verzögerungen im Lieferverkehr rechnen“, prognostizierte May.
Blick auf die Augenoptiker: Den Großen geht es besser
Zu ihren Umsätzen befragt hat der ZVA auch 2018 mittelständische Augenoptikbetriebe. Die Betriebe in den höheren Umsatzklassen entwickelten sich deutlich positiver als in den unteren, wie Thomas Truckenbrod, Präsident des ZVA, ausführte. Zwei Drittel der Augenoptiker in der Umsatzgruppe über 500.000 Euro konnten steigende Umsätze verbuchen, die unteren Umsatzklassen wiesen eher Einbußen auf, bei der schwächsten Umsatzgruppe betraf dies etwa ein Drittel der Betriebe, wobei die Hälfte davon (14,5 Prozent) Umsatzrückgänge von mehr als fünf Prozent zu verkraften hatte.
In der stärksten Gruppe (über 750.000 Euro) betrifft diese Entwicklung weniger als ein Prozent der Betriebe. Besonders für kleinere Unternehmen sei deshalb Spezialisierung wichtig und stete Weiterbildung, wie Truckenbrod betonte. Zu den Stückzahlen befragt, mussten 23 Prozent der Betriebe 2018 Rückgänge verzeichnen, 39 Prozent meldeten stagnierende Zahlen und 38 Prozent freuten sich über zusätzliche Brillenverkäufe. „Muss man alle EU-Verordnungen so stringent umsetzen?“, stöhnte Truckenbrod im Namen seiner Verbandsmitglieder: „Wir Augenoptiker wollen uns doch auf den Verkauf von Brillen konzentrieren.“ Seine positive opti-Botschaft lautete: „Onliner (wie Mister Spex) gehen offline, der persönliche Kontakt wird also noch goutiert.“
Die beiden Kapitäne sind von Bord
Sascha Hehn bei Rodenstock
Anna Ermikowa im Interview
Sonnenbrillen bei Emmerich
Oculus Beratung auf der opti 2019
Am Ipro-Stand auf der opti 2019 (Bild: Ipro)
Platzsparende Raumwunder
Doch muss auch der umgekehrten Entwicklung Aufmerksamkeit geschenkt werden, wie sie Ipro-Chef Martin Himmelsbach anschaulich formulierte: „Die Digitalisierung kommt aus allen Ecken gekrochen.“ Ob digitale Fassungskataloge, digitale Optometrie oder Online-Refraktion– all das beschäftigte Besucher und Aussteller.
Hier ein paar Beispiele: Look4-Company-Geschäftsführer Georg Weiß präsentierte eine App für Tablets, mit der Augenoptiker ihre Kunden beraten, gleichzeitig zudem direkt auf die Artikeldaten der Hersteller und Lieferanten zugreifen können. Brillenglashersteller Hoya machte auf der Messe mit einem platzsparenden Videozentriergerät von sich reden. Die Technik verschwindet in einem Design-Spezialgehäuse, der Kunde sieht nur einen Spiegel, und ein Zentrierbügel wird auch nicht mehr gebraucht. Die Aufnahmen werden mit einer Sechsfach-Kamera-Optik binnen Sekunden erstellt.
Stefan Rüdiger von der DAO (Deutsche Augenoptik AG, Mühlacker) kommentierte die neueste Erfindung des Unternehmens, eine sphäroprismatische Speziallinse die das Sehzeichengerät ins Unendliche abbildet: „Refinity ist eine individuell berechnete Ausgleichslinse im Phoropter, die das Sehzeichensystem ins Unendliche abbildet und Abstandsfehler korrigiert. Selbst kleinste Refraktionsräume können damit ohne Spiegel und Kompromisse in höchster Qualität realisiert werden.“ Augenoptiker sparen am Raum innerhalb der Refraktion und gewinnen Fläche für den Verkauf.
Weitere platzsparende Konzepte stellt eyebizz in einer der kommenden Ausgaben vor. Mit zahlreichen neuen Brillenglas-Lösungen wie Eyezen und Varilux, inklusive einer Weltneuheit im Gerätebereich, wartete auch die Nummer eins der Brillenglashersteller, Essilor, auf. Am neuen Messkonzept Visioffice X bildeten sich zeitweise sogar Warteschlangen.
Top-Themen: Health und Wellness
Mehr als die Hälfte der deutschen Augenoptiker wollen laut ZVA in optometrische Screening-Geräte investieren, um neue Geschäftsfelder zu erobern. Beim Thema Augengesundheit im Wellness-Kontext könnten auch Angebote von Seh- und Visualtraining erstarken. MyEyeTrainer von Ipro ist ein Beispiel dafür: eine Art Baukastensystem, mit dem der Augenoptiker individuelle Übungsprogramme für seine Kunden erstellt. Ob UV- oder Schutz vor Blaulichtanteilen: Alle Brillenglashersteller reagieren mit einem erweiterten Produktangebot auf das Thema Augengesundheit.
Kontaktlinsen und Influencer
Ein weiterer Schwerpunkt der Messe ist traditionell die Kontaktlinse. In ihrem Vortrag über die Potenziale der Digitalisierung sah Anna Knaus gerade hier große Chancen. Ihr Hauptargument: Eine professionelle Anpassung von Kontaktlinsen ist aktuell und bis auf Weiteres online nicht möglich. Auch der Industrieverband Spectaris bemüht sich, die unsichtbare Sehhilfe zu pushen. Vom dortigen Kontaktlinsen-Kreis geplant und vom Kuratorium Gutes Sehen (KGS) umgesetzt, läuft eine Digitalkampagne, die auf der opti vorgestellt wurde. Man will mit dem Thema auf Webseiten und Social-Media-Kanälen präsenter sein und besonders auch Jüngere erreichen. Dafür hat man die SehFee reaktiviert, eine reale Kontaktlinsenträgerin, die als Expertin bereits von 2012 bis 2014 in Foren und Communitys Ratschläge gab, ein früher Versuch, eine Influencerin zu platzieren.
Wer über Influencer den Kopf schüttelt, sollte wissen: 50 Prozent der 14- bis 20-Jährigen lassen sich von Influencern beeinflussen. Für die Vermarktung der neuen Sync-III-Brillengläser „speziell für die digitale Welt“ holte sich Brillenglashersteller Hoya den 29 Jahre jungen Blogger Philipp Steuer (20.000 Follower), der nicht nur auf der Hoya-Pressekonferenz die Gläser lobte. Noch trendiger ist das Hoya-Sponsoring des eSport-Teams des KFC Uerdingen und die daran anknüpfenden Kampagnen fürs laufende Jahr, während öffentlich noch darüber gestritten wird, ob eSport ein echter Sport ist, so die Digitalisierungs-Beauftragte der Bundesrepublik, Dorothee Bär (CSU), oder „so wenig Sport wie Stricken“, so die Meinung des Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Zu den Innovationen der Messe gehörte auch ein Gleitsichtglas für Kinder (u. a. Visall), und natürlich gab es Fassungstrends zu entdecken, manche davon gerade bei den opti-Boxen-Newcomern zu finden: Brillen mit Cut-Outs und auch Mustern sind schwer angesagt, Fassungen im Retro-Look, der jetzt futuristisch interpretiert wird, waren mehrfach anzutreffen. Randlose Brillen behaupten sich mehr denn je, Doppelsteg-Brillen sind eines der stärksten Themen. Die vom Farbinstitut Pantone für das Jahr 2019 ausgerufene Trendfarbe Rot ist längst bei den Fassungen hip.
Kritik und Knackpunkte
Und wie kam die Erweiterung um zwei Hallen an? Dieter Dohr, CEO der GHM Gesellschaft für Handwerksmessen mbH, sprach auf der Pressekonferenz von den großen logistischen Herausforderungen, die es zu bewältigen galt und „von der gefühlten Enge“, über die in den vergangenen Jahren immer wieder geklagt wurde. Erweiterung und Umbau kamen laut Messe auch ausgesprochen gut an: Neun von zehn Besuchern und sieben von zehn Ausstellern vergaben in Umfragen Bestnoten. „Die Fachbesucher haben die neue Hallenstruktur mit den drei Eingängen schnell und gut angenommen. Sie lobten die klaren Profile der Hallen“, erklärte Dohr.
Doch es wurde auch Kritik laut. Insgesamt war der Messeaufbau dank der vorhergehenden Messe „Bau“ (bis 16. Januar) eine nervliche, wie sportliche Herausforderung und teils nur mit Nachtschichten der Messebauer zu schaffen. Ein Aspekt, der für die Aussteller ins Geld geht. Firmen aus den Hallen 5 und 6 beklagten zudem ausbleibende Besucherströme. Hatte man wohl damit gerechnet, dass Glashersteller und Kontaktlinsenfirmen auch in den hinteren Hallen für Frequenz sorgten, so war der Vergleich zu den Hallen 3 und 4 jedoch spürbar.
Patrik Hof, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit GHM Gesellschaft für Handwerksmessen, erläuterte nach eyebizz-Anfrage, dass das Messeteam grundsätzlich schon während der Messe den Dialog mit den Ausstellern suche: „Wir wissen, dass die Vergrößerung der opti und die Änderungen in der Struktur für viele ungewohnt war. Bevor aber ein falscher Eindruck entsteht: Es gab weitaus mehr Lob als Kritik. Speziell nach kritischen Punkten der Aussteller in den Hallen C5 und C6 gefragt: Die drehten sich vor allem um die Erweiterung in die beiden neuen Hallen und den Eingang Nord-Ost. Insgesamt ergibt sich aber ein eher uneinheitliches Bild. Die einen empfanden den kurzen Aufbau als schwierig, andere wünschten sich mehr Frequenz über den neuen Eingang Nord-Ost. Wieder andere hingegen freuten sich über mehr Verkehrsflächen und mehr Platz – ein Wunsch, der in den vergangenen Jahren oftmals von den Glas- und Kontaktlinsenfirmen geäußert wurde.“
Es bleibt spannend, ob sich bis zur nächsten opti am 10. bis 12. Januar 2020 etwas an der Hallenaufteilung ändert. // JUEB// CH ID 7942
Schöne Messe!
Mir taten die Asiaten in Halle 5 leid.
Sehr weit gereist und nun interessiert sich niemand für sie.
Der Sinn erschloss sich den Besuchern nicht!
Salve ganz ehrlich ich habe einen fahrbaren Untersatz vermisst.
Man läuft sich einen Wolf. Man schafft nur das was man sich vornimmt.
Spontane Geschichten waren außen vor, weil ein Etuihersteller, der auch Fassungen verkauft jetzt in zwei Hallen unterschiedliche Stände hatte. Warum????
Ganz schlecht die Garderobensituation. Wenn man vom Parkhaus kam waren die viel zu kleinen Garderoben gleich voll.
Und dann musste man an das andere Ende laufen.
Wege zu weit.
Vorbildlich die Hotline beim Onlineticketkauf. Fachlich sehr kompetent und auch sehr freundlich.
Ciao Francesco Ansini