Das ganze Jahr über hat die Branche auf den Big Bang gewartet, am letzten Messetag der Silmo war es dann soweit: Die Fusion von Essilor und Luxottica war spruchreif. Dabei stellte Luxottica gar nicht in Paris aus. Man kann gespannt sein, wie sich die beiden Firmen im kommenden Jahr entscheiden: Eine Silmo ohne den großen französischen Glashersteller ist nicht denkbar. Kommen sie dann als „EssilorLuxottica“ im Doppelpack? So oder so, auf der diesjährigen Silmo herrschte beste Stimmung.
Nicht nur von einem Aussteller war zu hören, dass es „super“ läuft – so zum Beispiel bei Cazal. Auch der Jahrhundertsommer war der Messe Ende September mit durchgängigem Sonnenschein und trockenem Wetter gnädig. Ein besonders Spektakel war traditionell der Verleihung des Silmo d’Or gewidmet. Im Musée des Arts Forains präsentierte die Messeleitung eine zauberhaft inspirierende Kulisse: Ein gelungener Griff, um Handwerk mit neuester Technologie zu verbinden.
Die größte Sammlung Europas mit Exponaten von Jahrmärkten aus dem Zeitraum 1850 bis 1950 wurde von Antiquitätenhändler und Schauspieler Jean Paul Favand in Szene gesetzt. Die Gäste genossen die Reise zwischen Traum und Wirklichkeit, Schiffsschaukeln und imposant designten, antiken Fahrwerken. Wer dort auf dem Fahrrad-Karussell in der johlenden Menschengruppe mit eigenem Antritt das Gefährt aus der Jahrtausendwende in Bewegung gesetzt hat, wird dieses Erlebnis nicht vergessen.
Jahrmarkt Augenoptik
Beim Rundgang durch die Hallen fand wohl jeder das Fassungsdesign, das ihm gefällt. Auffällig: Die Zahl der asiatischen Stände wächst bei internationalen Messen. Wenig verwunderlich, weil die chinesische Regierung die Präsenz subventioniert, um den eigenen Export zu stärken. Entsprechend haben die Firmen beispielsweise die Stückzahlen von 300-400 auf zehn Stück pro Modell gesenkt. Daher können mehr Augenoptiker Brillenfassungen und Sonnenbrillen direkt aus China beziehen. Ein Deal, der eventuell Preisvorteile bringt, unter Umständen aber auch Nachteile bei Service oder Qualität. Ein Beispiel für eine europäische Firma, die noch nicht so lange im Markt ist, doch ihren Messestand bereits beachtlich vergrößert hat, ist Etnia.
Markttreiber: Form, Funktion, Innovation
Als Fassungstrends sind auszumachen: Rund läuft weiter (so bei Götti, Vinyl Factory, Vava, Tom Davies, OWP, Eyevan, Kinto), Doppelstege und Piloten ebenso. Cateye kommt sehr stark, teils anders interpretiert (Etnia, Komono, Yuichi Toyama). Neu am Start ist: „Egg“ – das Ei als harmonisch organische Form (u.a. Hoet). Nachgelegt hat das Achteck (Oktogonal), das Quadrat /Square (Marni Me 2623 by Marchon).
Es bleibt: die Leichtigkeit. Das Motto „Weniger ist mehr“ wird mit dünnen Materialien aus Metall, Acetat oder Carbon auf die Spitze getrieben – das Schlagwort dazu ist „Line“ (englisch), die einfache Linie, die zwei Gläser vor den Augen hält (gesehen bei: Line Art, Jooly by Oxibis Group, Xavier Garcia, Jisco, Kliik by WestGroupe, Inface by DEG). Randlos wird neu interpretiert (Götti und Flair). Architektur bleibt Inspirationsquelle (Vava, BOZ by J.F.Rey, Markus T, Einstoffen, Diesel by Marchon), genau wie die Kunst (Suzy Glam, Vinyl Factory, Etnia, Brendel by Talbot Runhof, Face à face).
Silmo in Zahlen: 965 Aussteller, davon 77% aus dem Ausland, 1.548 verschiedene Marken, 230 neue Firmen, 80.000 m² Ausstellungsfläche.
Die Synergien zwischen Kunstströmungen von Minimalismus bis Opulenz sind augenfällig (Suzy Glam, Vinyl Factory, Etnia, Cazal, Brendel by Talbot Runhof, Savatore Ferragamo by Marchon, Face à face). Bügel werden jetzt auch gern um 90 Grad um die Längsachse gedreht: sehr dünn von der Seite, spektakulär und unaufdringlich zugleich (gesehen u.a. bei Markus T).
Bei den Farben ist wirklich alles möglich, von knallig bis Pastell – auch transparent (Blake Kuwara) hält sich als beliebte Variante, die zu allen Kleidungsstücken passt. Multicolor ist neu im Kommen (OWP, J.F.Rey, Westgroupe/Fysh, In’Bo (Holzteilchen bunt, gepresst).
Innovationen rund um Scharniere waren nicht nur Thema des Silmo Awards. Als Komponentenhersteller war für OBE (Ispringen) schon die Nominierung ein Gewinn. Mit der technologischen Innovation „Rivet & Bend“ sind jetzt Nietscharniere auf dem Markt, die eine Taillierung in sich haben und somit zahlreiche Varianten mit einem einzigen Produkt ermöglichen.
Auch 3D bleibt Thema, verbessert dabei Qualität und Materialien. Gleich zwei der Pariser Awards fußen auf dieser individualisierenden Technologie: Das Korrektionsmodell McLaren Ultimate Vision von L‘Amy wird in einem hochmodernen Titan-3D-Druckverfahren und mit anschließender PVD-Beschichtung hergestellt. Das Brillenglas wird lediglich an zwei Punkten fixiert. Die Fassung wird in der Produktion an die Anatomie des Brillenträgers angepasst, wozu zuvor ein Scan mit 3.500 Punkten das Gesicht des Trägers abtastet. Eine spezielle Software wertet das Bild aus und passt Scheibenhöhe und -breite, aber auch die Durchbiegung der Fassung an. Das Leichtgewicht gewährleistet damit die perfekte Anpassung an die Nase.
Als starkes Statement sowie als Leichtgewicht aufgrund des Materials und der innovativen Technologie – dafür steht auch die Impressio 609 Vortex. Das Design basiert auf einen mathematischen Algorithmus und formt eine Art Wirbel um die Sonnenbrillengläser des Modells. Grundlage ist einerseits Polyamid, für die Bügel aber ß-Titan. Farbe und Textur der Front ähneln einem Lederlook. Das Ganze wirkt schwer, bringt aber nur 20 Gramm auf die Waage. Impressio ist ein Brand, der von Emmanuel, Andrivet und Guillaume Boisson kreiert wurde.
Bei den Maschinen und Geräten ging Essilor mit dem Phoropter Vision-R 800 als Sieger vom Platz, den die deutschen Kunden bereits von der opti Anfang des Jahres kennen.
Bei den Brillengläsern sieht Divisions Direktor von Novacel/ Leica (Wetzlar) Gunter Fink den Schutz vor ultravioletter Strahlung als stärkstes Thema im Markt. Wenn es um andere aufkommende Absatzpotenziale geht, wie etwa die Versorgung von Gamern mit Brillengläsern bei eSports, dann habe Novacel mit Fraglens die Nase vorn, sagt er im Gespräch mit der eyebizz-Redaktion: „Für eine bessere Performance gibt diese Zielgruppe alles.“
Die nächste Silmo öffnet vom 27. bis 30 September 2019 ihre Tore. #seeyouineyebizz
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Leute mit Durchblick
Have a Look!
Welcher übergeordnete Trend zeichnet sich ab?
Pedro da Silva, Inhaber und Designer von Vava Eyewear: „Architektur trifft auf Mode –. Beide Strömungen sind sicher nicht nur bei Vava ausschlaggebend, sondern für die gesamte Branche, was Formen und Farben angeht. Zeitweise ist es auch die Musik, die inspiriert, für mich ist es vor allem elektronische Musik.“
Was kommt, was geht?
Markus Temming, Inhaber Design Markus T: „Technik und Digitalisierung schreiten immer weiter voran. Das mehr, schneller, komplexer zeichnet unseren Alltag und all die Produkte aus, die uns täglich umgeben. Wir suchen stets nach simplen, durchdachten Lösungen – das gilt für Technik und Design gleichermaßen. Technisch konventionslos zu arbeiten, heißt nicht auf Standards zu bauen. Sondern diese zu verlassen, und permanent einen Schritt weiter zu gehen. Den Gedanken „Wie funktioniert etwas, wie kann es besser gehen?“ kann man leidenschaftlich auf alles anwenden, was uns im Alltag umgibt. Ein bisschen philosophisch: nicht nur die großen Erfindungen werden der Menschheit hinterlassen. Ebenso spannend sind die kleinen Dinge im Einfachen.“
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Metall, Acetat, Naturmaterial, Holz oder ein ganz neues Material?
Simone Ceretti, Vertrieb Mora Busoli aus Modena (Italien) (links, mit Veronica Bonfatti): „Unsere Marmor-Fassungen sind leichter, als man denkt. Wir kombinieren beim Mittelteil eine dünne Schicht Marmor mit Carbon, während die Bügel aus massivem Marmor sind.“
Arnold Kis, Gründer von Thinwood, Budapest/Ungarn: „Wir stellen hier zum ersten Mal aus. Bei unseren Fassungen sitzt eine dünne Holzschicht zwischen zwei Carbonschichten, und dieses Composit-Material macht sie leicht und stabil wie Titan.“
Rund, Pilot, Cateye – gibt es neue Silhouetten, welche bleiben?
Marco Finster, Imago eyewear: „Die Fassungsformen sind zurzeit sehr vielfältig. Für uns ist Pilot sowie der Doppelsteg eher rückläufig – stark war und bleibt Panto und auch runde Formen im Retrostyle oder im Oversize-Look. Cateye kommt in sehr ausgefallen und mehr tragbaren Versionen. Für die ganz Trendigen steht Oval auf dem Plan.“
Gibt es Trends für Brillenbügel?
Miriam Hasselbach, verantwortlich für das Marketing bei Flair, Oelde: „Bei uns sind Bügel weiter unten platziert.“
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Welches Thema kommt bei Brillengläsern?
Gunter Fink, Division Direktor von Novacel/Leica (Wetzlar): „Stärkstes Thema ist momentan der Schutz vor ultravioletter Strahlung im Markt.“