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Branchen-Event in Berlin und online

Spectaris Trendforum: Optimismus statt Krisenmodus

In der Kulisse der Berliner Classic Remise präsentierte sich das Spectaris Trendforum am 7. November zum 21-mal und zum zweiten Mal im hybriden Format. Über 800 Interessierte waren mit dabei, knapp die Hälfte vor Ort. Das Branchen-Event war trotz trüber Wirtschafts-Prognosen inspirierend, ja aufmunternd.

Spectaris Trendforum 2022 Kleber
Spectaris Trendforum 2022: Hapt-Speaker Claus Kleber (Bild: Detlev Schilke / Spectaris)

Haupt-Speaker Claus Kleber, langjähriges Gesicht des ZDF-„Heute Journals“, referierte ohne Krawatte über die Weltlage. Putins Einmarsch in die Ukraine lasse sich in keiner Weise rechtfertigen, bereits die Einnahme der Krim 2014 hätte der Westen nicht hinnehmen dürfen. Kleber sprach von der „deutschen Neigung zur Beschwichtigung“.

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Während Russland langfristig weltpolitisch keine Rolle mehr spielen würde, hätte China eine ungeahnte weltweite Anziehungskraft gewonnen. Darauf selbstbewusst zu reagieren, nannte der Journalist die große Herausforderung deutscher Politik. Besorgt ist der langjährige USA-Korrespondent über Amerika. Trump habe die „Lüge als politisches Instrument“ eingeführt. Die Folge sei eine grundsätzliche Vernebelung von wahr und falsch. Am Ende wüssten die Bürger gar nicht mehr, was sie glauben sollten. Das aber sei gefährlich für eine Demokratie. „So können die Machthaber alles machen, was sie wollen.“ Doch Claus Kleber zählt sich zu den „Optimisten“, wenngleich zu jenen, „die sich große Sorgen machen“.

KI designt Bilder und Brillen

Aus St. Gallen meldete sich Prof. Dr. Damian Borth, Experte für Künstliche Intelligenz, per Live-Video zu Wort – wieder mal versagte das Flugwesen. Manches, was er auf seinem Sprint durch die Geschichte seines Fachs vortrug, kannte man aus ähnlichen Vorträgen in den Jahren davor. Interessant wurde es, als er eine Zukunft zeichnete, in der wir Bilder nach Wunsch von einer KI-Software generieren lassen können, indem wir einfach nur Stichwörter eingeben.

Spectaris Trendforum 2022 KI-Experte Dr Damian Borth
Prof. Dr. Damian Borth, Experte für Künstliche Intelligenz, per Live-Video auf dem Spectaris Trendforum (Bild: Detlev Schilke / Spectaris)

Ähnlich lassen sich Brillendesigns erzeugen, Borth zeigte Beispiele von avantgardistisch-überzeugend bis komplett-untragbar. Er betonte, dass die Anwendung von Künstlicher Intelligenz eine EU-Regulierung benötige. Doch auch er ist Optimist: „Die nächste KI-Generation kann Modelle erzeugen, die zur Inspiration für zukünftige Designs unserer Lebenswelt dienen werden.“

Im Zentrum des Tages stand der Fachkräftemangel. Hier hatte Recruiting-Expertin Felicia Ullrich (Geschäftsführerin u-form Testsysteme) ihren Auftritt. Nicht an Fachkräften, sondern Menschen mangele es, sagte sie mit Blick auf ein Bonmot des Solinger Oberbürgermeisters Tim Kurzbach. Schließlich würden Betriebe Menschen und keine Qualifikationen suchen.

Spectaris Trendforum 2022 Recruiting-Expertin Felicia Ullrich
Spectaris Trendforum 2022 mit Recruiting-Expertin Felicia UllrichRecruiting-Expertin Felicia Ullrich (Bild: Detlev Schilke / Spectaris)

Learning am Bad Case

Gutes Betriebsklima und Weiterbildungs-Möglichkeiten seien bei Berufsanfängern die wichtigsten Kriterien, erklärte die temperamentvolle Rednerin anhand von Zahlen. Wie abschreckend manches Stellengesuch in der Augenoptik immer noch formuliert werde, demonstrierte Ullrich an mehreren Beispielen – zur Belustigung des Publikums. Learning am Bad Case!

„Praktische Intelligenz“ hat an Wertschätzung verloren, der Trend zur (Über)Akademisierung in der Ausbildung schade dem Handwerk, da waren sich die Teilnehmer bei der Podiumsdiskussion zum Thema einig. Beklagt wurde zudem die gesellschaftspolitische Vernachlässigung des „Meister-BAföGs“.

Spectaris Trendforum 2022 Kons Diskussionsrunde Ullrich
Podiumsdiskussion auf dem Spectaris Trendforum 2022 (von links): Moderator Wolfram Kons, Thomas Bursche und Kim Oettel (Bursche Brillen), Dr. Volker Born (ZDH), Matthias Müller (Brillen Häusler), Leon Aarass (Niederprüm Augenoptik) und Felicita Ullrich (u-form Testsysteme) (Bild: Detlev Schilke / Spectaris)

Dr. Volker Born vom Zentralverband des Deutschen Handwerks schöpfte Hoffnung, indem er über die aktuelle Imagekampagne fürs Handwerk sprach, während Augenoptiker Thomas Bursche Kollegen empfahl, Schülerpraktika anzubieten. Das sei eine gute Strategie, für den eigenen Nachwuchs zu sorgen, so Bursche aus eigener Erfahrung, der sich auch sonst als vorbildlicher Chef empfahl, zahlt er doch seinen Azubis im 3. Lehrjahr „fast schon ein Gesellengehalt“. Die wachsende Kompetenz seiner Auszubildenden will er von Beginn an wertschätzen.

Leon Aarass, Azubi in 3. Lehrjahr bei Niederprüm Augenoptik in Köln, der auch auf dem Podium saß, fand seine Berufung beim Kauf einer Sonnenbrille. Beratung und erlebtes Berufsbild hatten ihn so begeistert, dass er dort seine Ausbildung anfing. Wolfram Kons, der abermals souverän durchs Programm führte, hatte zuvor herausgefunden, dass Leon der einzige Anwesende im Alterssegment zwischen 18 und 25 war. Da wunderte sich die Branche (wieder einmal) über sich selbst.

Gesellen auf Instagram, Meister auf Facebook

In Berlin mit dabei waren auch die Hamburger Marketing-Spezialisten Lutz Jurkat und Dominic Scheppelmann („2do Spotleit“, „2do digital“). Für die Branche verglichen sie digitale und Print-Werbekampagnen und testeten Kommunikationswege zur „Generation X“: TikTok, WhatsApp und Konsorten. Dazu gaben sie Beispiele erfolgreicher Social-Media-Kampagnen. Eine der Sätze, die wir uns merken werden: Meister findet man über „Facebook“, Gesellen über „Instagram.“

Spectaris Trendforum 2022 Marketing-Spezialist Lutz Jurkat
Spectaris Trendforum 2022: Marketing-Spezialist Lutz Jurkat von „2do Spotleit“ (Bild: Detlev Schilke / Spectaris)

Der selbst ernannte Provotainer Martin Gaedt hielt eine radikale Keynote über neue Wege des Recruitings. Sein buchstäblich lautstarker Appell mit vollem Körpereinsatz irritierte einige, doch die Ideen, mit denen er um sich warf, hätten auch einen zwei Stunden-Vortrag füllen können. Unternehmen müssten auf potenzielle Bewerber zugehen und ständig Neues ausprobieren: „Mixen, bis es schmeckt“.

Marco van Beusekom und Meike Drežnjak vom Spectaris-Kontaktlinsenkreis warben für das Ziel, bis 2030 sechs Millionen Kontaktlinsenträger in Deutschland zu erreichen, das Marktpotenzial sei schließlich riesig, die Nachfrage stetig steigend. Da waren manche Zuhörer doch etwas skeptisch, doch die Formulierung, der Augenoptiker entwickele sich vom „Anpasser zum physiologischen Manager“, war einnehmend charmant.

Zukunft auf dem Silbertablett

Ziemlich optimistisch blickte der Journalist und Silicon-Valley-Experte Christoph Keese in die Zukunft. Von den neuen „Lifechanger“-Technologien, die er vorstellte, war er selbst ganz berauscht. Doch sein Vortrag, der Elon Musks Zukunftsvisionen auf dem Silbertablett servierte, verursachte auch Stirnrunzeln, da der Twitter-Chef als brachialer Hire-and-fire-Manager gerade alle Sympathien verspielte.

Neu war, dass Moderator Wolfram Kons das Event erstmals an der Seite von Mirjam Rösch eröffnete, der frisch gekürten Augenoptik-Vorsitzenden bei Spectaris. Die Co-Geschäftsführerin der Hoya Lens Deutschland GmbH wird, das war schon deutlich zu spüren, ihre neue Aufgabe mit freudvollem Schwung aufnehmen. „Mister Trendforum“ Josef May, der das Ehrenamt 17 Jahre lang geprägt hatte, wurde in Berlin mit Standing Ovations verabschiedet.

Spectaris Trendforum 2022 Roesch May
Spectaris Trendforum 2022: Mirjam Rösch, frisch gekürte Augenoptik-Vorsitzende bei Spectaris, würdigt Vorgänger Josef May (Bild: Detlev Schilke / Spectaris)

Die Besucher genossen den Input, redeten in den Pausen über die Inflation, EssilorLuxottica, den Kaffee, der beim Mittags-Catering fehlte, und vor allem über die opti. Die Veranstaltung – Organisator: Jochen Reinke – war ein Erfolg, viele Erwartungen wurden übertroffen. Es war eben ein Mix aus Klassentreffen, Brancheninfos und Bewusstseinserweiterung, so brachte eine gutgelaunte Besucherin das jährliche Spectaris-Trendforum auf den Punkt.

Die 22. Auflage wird am 6. November 2023 stattfinden.

/// Jueb

 

Artikel aus der eyebizz 1.2023 (Dezember/Januar)

 

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